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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Schwall Luft hereinkam, obwohl sie nicht kalt genug gewesen sein konnte, um ihm etwas anzuhaben. »Super, so ruinierst du alles. Mach nur so weiter.«
    Ich wollte die Tür zuknallen, aber er streckte den Arm aus und hielt sie fest. »Warte, Grace. Warte.«
    »Was?«
    »So will ich dich nicht gehen lassen.« Mit flehendem Blick sah er mich an, seine Augen sahen so traurig aus wie noch nie. Ich sah die
    Gänsehaut an seinen Armen und wie seine Schultern im kalten Windzug erbebten. Und damit hatte er mich. Egal, wie wütend ich auch war, wir wussten beide, was passieren konnte, während ich in der Schule war. Ich hasste das, diese Angst. Ich hasste sie.
    »Tut mir leid, dass ich das gesagt habe«, brach es aus Sam heraus, hastig, bevor ich gehen konnte. »Du hast ja recht. Ich konnte einfach nicht glauben, dass mir so was - so jemand - Gutes widerfährt. Geh nicht im Streit, Grace. Bitte, geh nicht.«
    Ich schloss die Augen. Kurz wünschte ich mir, er wäre nur ein ganz normaler Junge, damit ich mit all meinem Stolz und meiner Empörung davonstürmen konnte. Doch das war er nicht. Er war so vergänglich wie ein Schmetterling im Herbst, der den ersten Frost nicht überleben würde. Also schluckte ich meinen Ärger hinunter, auch wenn er bitter schmeckte, und öffnete die Tür ein Stückchen weiter. »Ich verbiete dir, so was jemals wieder zu denken, Sam Roth.«
    Seine Augen schlossen sich ganz kurz, als ich seinen Namen sagte, eine Sekunde lang verschleierten seine Wimpern das Gelb, dann streckte er die Hand aus und berührte meine Wange. »Es tut mir leid.«
    Ich hielt seine Hand fest und wand meine Finger um seine, sah ihm eindringlich ins Gesicht. »Was meinst du, wie es für Beck wäre, wenn du im Streit gehen würdest?«
    Sam lachte, ein bitteres, reuevolles Lachen, das mich an das von Beck am Telefon erinnerte, und wich meinem Blick aus. Ihm war klar, dass ich Becks Nummer hatte. Er zog die Hand weg. »Gut, wir fahren hin. Fahren wir eben hin.«
    Kurz bevor ich ging, drehte ich mich noch einmal um. »Warum bist du so wütend auf Beck, Sam? Warum bist du auf ihn wütend, aber nicht auf deine richtigen Eltern?«
    Ich konnte ihm ansehen, dass er sich diese Frage selbst noch nicht gestellt hatte, und es dauerte lange, bis er mir eine Antwort gab. »Beck - Beck musste nicht tun, was er getan hat. Meine Eltern schon. Sie dachten, ich wäre ein Monster, und sie hatten Angst. Das war nicht geplant.«
    Sein Gesicht war voller Schmerz und Unsicherheit. Ich trat ans Auto und küsste ihn sanft. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also küsste ich ihn einfach noch mal, nahm meinen Rucksack und ging hinaus in den grauen Tag.
    Als ich über die Schulter zurückschaute, saß er immer noch da, sein Blick still und wölfisch. Das Letzte, was ich von ihm sah, war, wie er die Augen im Luftzug zusammenkniff, sein schwarzes Haar war zerzaust und erinnerte mich aus irgendeinem Grund an den Abend, als ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte.
    Ein plötzlicher Windstoß fegte mir das Haar aus dem Nacken, frostig und beißend.
    Auf einmal schien der Winter sehr nah. Ich blieb auf dem Bürgersteig stehen und schloss die Augen, kämpfte gegen das heftige Bedürfnis an, zu Sam zurückzulaufen. Schließlich siegte mein Pflichtbewusstsein und ich wandte mich in Richtung Schule. Aber ich hatte das Gefühl, einen Fehler zu machen.

  Kapitel 47 - Sam (7°C)
    N achdem Grace aus dem Auto gestiegen war, fühlte ich mich krank. Krank, weil wir uns gestritten hatten, krank vor Zweifel, krank vor Kälte, die gerade noch nicht so eisig war, als dass ich mich in einen Wolf verwandelt hätte. Mehr als nur krank - ruhelos, aufgewühlt. Zu viele Unsicherheiten - Jack, Isabel, Olivia, Shelby, Beck.
    Ich konnte kaum glauben, dass Grace und ich wirklich Beck besuchen würden. Ich drehte die Heizung im Bronco bis zum Anschlag auf und legte eine Weile den Kopf aufs Lenkrad, obwohl mir von dem geriffelten Kunststoff die Stirn wehtat. Es dauerte nicht lange, bis es im Wagen heiß und stickig wurde, aber es fühlte sich gut an. Es fühlte sich an, als wäre ich weit davon entfernt, mich zu verwandeln. Als steckte ich sicher und fest in meiner eigenen Haut.
    Zuerst überlegte ich, einfach den ganzen Tag so sitzen zu bleiben und auf Grace zu warten. Ich summte ein Lied vor mich hin - Close to the sun is closer to me / I feel my skin clinging so tightly. Doch schon nach einer halben Stunde merkte ich, dass ich irgendetwas tun musste. Ich musste wiedergutmachen, was

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