Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
Vom Netzwerk:
Rücken, bis ich schließlich in der leeren Wanne lag. Grace breitete ein Handtuch über mir aus; es fühlte sich fast heiß an, als hätte sie es irgendwo angewärmt. Dann nahm sie mein vernarbtes Handgelenk und sah mich an. »Du kannst jetzt rauskommen.«
    Ohne zu blinzeln, erwiderte ich ihren Blick, meine Beine an der gekachelten Wand zusammengefaltet wie die eines riesigen Insekts.
    Sie streckte die Hand aus und fuhr mit dem Finger meine Augenbrauen nach. »Deine Augen sind wirklich schön.«
    »Die behalten wir«, entgegnete ich.
    Als ich sprach, fuhr Grace zusammen. »Was?«
    »Sie sind das Einzige, was wir behalten. Unsere Augen bleiben so, wie sie sind.« Ich öffnete die Fäuste. »So bin ich geboren, mit diesen Augen. Ich bin für dieses Leben geboren.«
    Als läge in meiner Stimme keinerlei Bitterkeit, antwortete Grace: »Sie sind jedenfalls schön. Schön und traurig.« Sie griff nach meinen Fingern, ihre Augen fest auf meine gerichtet. Unsere Blicke verschmolzen. »Meinst du, du kannst jetzt aufstehen?«
    Ich konnte. Nichts als ihre braunen Augen vor mir, stieg ich aus der Wanne, und sie brachte mich aus dem Badezimmer, zurück ins Leben.

  Kapitel 26 - Grace (2°C)
    I ch konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich stand in der Küche und starrte auf die Schränke, an denen lauter Fotos von lächelnden Leuten hingen - den Rudelmitgliedern als Menschen. Normalerweise hätte ich nach Sams Gesicht gesucht, aber ich sah nichts als seine gebrochene Gestalt in der Badewanne vor mir und hörte noch immer die Panik in seiner Stimme. Die Szene, wie er zitternd im Wald stand, kurz bevor mir klar wurde, was dort soeben mit ihm geschah, ging mir nicht aus dem Kopf.
    Dosensuppe. Topf. Brot aus dem Eisfach. Löffel. In Becks Küche sorgte ganz offensichtlich jemand für die Vorräte, der mit dem sehr speziellen Zeitplan eines Werwolfs vertraut war; sie war voller Konserven und Schachteln, deren Inhalt ewig halten würde. Ich reihte alle Zutaten für ein improvisiertes Abendessen auf der Arbeitsplatte auf und versuchte, mich darauf zu konzentrieren.
    Nebenan lag Sam mit einer Decke auf der Couch, seine Kleider hatte ich in die Waschmaschine gesteckt. Meine Jeans war immer noch klitschnass, aber das konnte warten. Ich stellte eine Herdplatte für die Suppe an und gab mir Mühe, meine Aufmerksamkeit ganz den glatten schwarzen Schaltern und der glänzenden Edelstahloberfläche zu widmen.
    Stattdessen kam mir wieder Sam in den Sinn, wie er zuckend, mit leerem Blick, auf dem Boden gelegen hatte, und sein unmenschliches Wimmern, als ihm klar wurde, dass er im Begriff war, sich zu verlieren.
    Meine Hände zitterten, als ich die Suppe aus der Dose in den Topf kippte.
    Ich konnte es nicht aushalten.
    Ich musste es aushalten.
    Wieder sah ich seinen Gesichtsausdruck, als ich ihn in die Badewanne stieß, wahrscheinlich genau wie seine Eltern, als -
    Daran konnte ich jetzt nicht denken. Ich öffnete den Kühlschrank und bemerkte verwundert, dass darin eine Flasche Milch stand, das erste verderbliche Nahrungsmittel, das mir in diesem Haus begegnete. Sie wirkte so deplatziert, dass ich ins Grübeln geriet. Nach einem Blick aufs Verfallsdatum - erst drei Wochen her - schüttete ich die nicht gerade wohlduftende Milch in den Ausguss und untersuchte den Kühlschrank auf weitere aktuelle Lebenszeichen.
    Als ich aus der Küche kam und ihm eine Schale mit Suppe und eine Scheibe Toast reichte, lag Sam noch immer zusammengerollt auf der Couch. Er nahm beides entgegen und sah mich noch bekümmerter an als sonst. »Du musst mich ja für einen totalen Freak halten.«
    Ich setzte mich ihm gegenüber auf einen karierten Sessel, zog die Beine an und wärmte mich an meiner Suppenschale. Die Wohnzimmerwände reichten hinauf bis zum Dach, sodass es noch immer zugig im Raum war. »Es tut mir so leid.«
    Sam schüttelte den Kopf. »Dir blieb doch gar nichts anderes übrig. Ich hätte - ich hätte es einfach nicht so weit kommen lassen dürfen.«
    Ich zuckte zusammen, als ich daran dachte, wie sein Kopf gegen die Wand geprallt war und wie hilflos er mit ausgestreckten Händen durch die Luft gerudert hatte, als er in die Badewanne stolperte.
    »Du hast das echt gut gemacht«, fuhr Sam fort und warf mir einen Seitenblick zu, während er an seinem Toast knabberte. Einen Augenblick schien es, als dächte er noch über das nach, was er gerade gesagt hatte, und dann wiederholte er es einfach: »Du hast das echt gut gemacht. Hast du -« Er stockte und sah zu

Weitere Kostenlose Bücher