Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
Sie hatte ihm beim Überleben geholfen und ihn an Orte gebracht, die er mit dem Jeep nicht erreichen konnte. In das Sumpfgebiet, das sich nun meilenweit am Rand der Flüsse erstreckte, wo Teile von Booten und Blechdächer von Holzhütten in den grauen, monsterartigen Ästen der Bäume hingen. An den Highways entlang, die von umgefallenen Bäumen oder Telefonmasten blockiert oder von Wasserfluten überspült wurden. Über die Strände, die jetzt viel schmaler waren und als Müllhalde dienten für alles, was der Sturm anspülte oder wegwehte. Wohnwagenhälften, Metallschilder von den zerstörten Hotels oder Tankstellen, tote Tiere. Pokertische und Matratzen, Stahlteile von havarierten Ölplattformen und sogar einen Schulbus. Er dachte daran, wie er Müllsäcke mit Lebensmitteldosen, Taschenbüchern, Decken, Batterien, Gasflaschen und sonstigen nützlichen Dingen gefüllt hatte, als sie wochenlang übers Land gezogen waren, bis er das Gefühl hatte, alles gehortet zu haben, was man horten konnte.
Und dann dachte er daran, dass sie nun wieder am gleichen Punkt angelangt waren und erneut von vorn anfangen mussten, und er hoffte, dass sie wusste, wie sehr er sie brauchte.
Er ließ die Tiere im Hof stehen und ging noch mal ins Haus, diesmal ins Schlafzimmer.
Dort schloss er die Augen und horchte auf ihre Stimmen. Die Stimmen der beiden Menschen, die aus diesem Haus ein Heim gemacht hatten. Aus diesem Haus, das sie gebaut hatten. Auf dem Land, das seiner Familie seit Generationen gehörte. Nicht weit entfernt vom Meer. Alles schien an seinem Platz zu sein. Er horchte auf die Stimmen. Versuchte, ihr Lachen zu hören. Versuchte, zu verstehen, was sie sagten, während sie in der Küche standen oder im Wohnzimmer saßen, an einem kühlen Abend, wenn die Fenster geschlossen waren. Er hörte nichts und horchte angestrengter. Er kniff die Augen fest zu, sein Gesicht spannte sich an, als hätte er Angst vor den eigenen Erinnerungen, die unsichtbar waren, aber dennoch sehr real und beängstigend.
Trotzdem konnte er sie nicht hören. Er schlug die Augen auf.
Ging zum Fenster und schaute hinaus auf die Zementfläche. Schaute sich den Stapel mit den Holzbrettern an. In seinen kühnsten Momenten träumte er davon, eines Tages, wenn alles vorbei war, vielleicht wieder zurückzukommen, um alles zu Ende zu bringen, wie er es versprochen hatte.
Er ging zum Nachtschränkchen und zog die Schublade auf. Darin fand er einen Stift und einen Notizblock, auf dem er etwas notierte. An der Tür angekommen, warf er nochmals einen Blick in den Raum, befühlte seine Tasche, um sicherzugehen, dass er das Foto dabeihatte. Er ging den Flur entlang, warf einen Blick auf die Kinderkleider und die Spielsachen und sagte Gute Nacht. Dann ging er in die Küche, legte den Notizzettel auf den Tresen und stapfte hinaus in die feuchte, kalte Welt. Er hob den Kissenbezug mit den Sachen auf, stieg aufs Pferd und befahl dem Hund, mitzukommen. Langsam bewegten sie sich über die Auffahrt zur Straße hin. Dort angekommen, drehte Cohen sein Pferd herum und schaute zu seinem Haus. Er hatte sich schon tausend Mal von ihnen verabschiedet, aber diesmal kam es ihm sehr real vor.
Er gab Habana einen leichten Stups in die Flanken, und sie machten sich auf den Weg.
8
Sie kamen eine halbe Stunde nachdem Cohen mit Habana und dem Hund fortgeritten war.
Der Jeep hielt auf der Carport-Plattform, und die vier stiegen aus. Joe ging zum Generator, bemerkte die durchgeschnittene Gaszufuhr und sagte: »Sieht ganz so aus, als ob der Kerl hier gewesen ist. Hat die Leitung gekappt. Und die Zündkerze mitgenommen.«
Aggie sagte, sie sollten ihn trotzdem mitnehmen. Also fassten sie ihn an beiden Seiten an und hoben ihn auf den Anhänger hinter dem Jeep. Der Junge und das Mädchen gingen ins Haus und durchsuchten es nach Sachen, die sie beim ersten Mal übersehen hatten, als sie alles mitnahmen, was irgendwie nützlich erschien. Über die Klamotten hatten sie sich am meisten gefreut. Das Mädchen ging ins Schlafzimmer und blieb vor dem Schrank mit den Kleidern stehen. Sie ging sie durch, als wäre sie beim Einkaufsbummel in einer Mode-Boutique gelandet. Die Männer kamen ins Haus und fingen an, die Möbel aus den Zimmern zu tragen. Sie riefen dem Jungen zu, er solle ihnen helfen. Stück für Stück wurden die Nachtschränkchen, Kommoden und Matratzen nach draußen geschafft und auf den Anhänger gepackt.
»Ich wusste gar nicht, dass es hier unten noch Leute gibt, die fast normal
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