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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Farris Smith
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wohnen«, sagte Aggie, als er einen Satz Bettgitter hinaustrug.
    »Ich auch nicht«, sagte Joe. »Aber jetzt ist er ja weg. Was, meinst du, wird er jetzt machen?«
    »Er könnte irgendwo da draußen hinter einem Baum hocken und auf deinen Hinterkopf zielen.«
    »Evan hat gesagt, ihr habt alle Gewehre mitgenommen. Oder nicht?«
    »Glaub schon.«
    »Du glaubst? Wäre besser, du wüsstest es genau.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Aggie. »Wenn er tatsächlich hinter einem Baum hocken würde und eine Waffe hätte, dann wären wir längst tot.«
    Sie machten weiter. Hinter dem Haus bemerkte Joe das Fundament und den Stapel verfärbter Holzbohlen. Er rief Aggie zu sich.
    »Sieht ganz so aus, als hätten wir den Gewinner für das ambitionierteste Bauprojekt der Region gefunden«, sagte Aggie.
    Sie gingen zurück, und schon bald war das Haus ausgeräumt. Evan rief Mariposa zu sich. Sie stand noch immer im Schlafzimmer, hatte sich fünf Kleider ausgesucht, legte sie zusammen und schob sie unter ihren Mantel. Sie trat durch die Tür und sagte: »Schaut doch mal nach, ob das Pferd noch da ist.«
    »Das Pferd ist längst weg«, sagte Joe. »Aber da ist noch ein Verschlag hinterm Haus. Das Wasser steht einen halben Meter hoch, aber da sind einige Regale mit Sägen, einer Nagelpistole und so Zeug.«
    »Das nützt uns nichts«, sagte Aggie. »Lass es liegen. Wir wissen ja, wo es ist, wenn wir es doch noch brauchen.«
    »In Ordnung.« Joe wandte sich an Mariposa. »Du setzt dich mit Evan nach hinten auf das ganze Zeug drauf. Passt auf, dass nichts runterfällt.«
    »Ich setz mich nicht da hinten hin«, sagte sie.
    Er schlug ihr ins Gesicht und sagte, sie solle den Mund halten und sich da reinsetzen. Eins der Kleider fiel aus ihrem Mantel auf den Boden.
    »Was zum Teufel willst du damit?«, sagte Joe. »Auf einen Ball gehen, Aschenputtel?«
    Die Männer lachten. Evan hob das Kleid auf und schaute sie prüfend an, aber sie schob ihn weg, ging zum Anhänger und kletterte auf die Matratzen. Evan folgte ihr und setzte sich neben sie. Mariposa warf den beiden Männern einen finsteren Blick zu. Aggie setzte sich hinters Steuer, und Joe erklärte, er wolle sich noch ein letztes Mal umschauen. Im Haus ging er von Raum zu Raum und suchte nach Sachen, die sie übersehen hatten, aber es war so gut wie alles ausgeräumt. In der Küche fand er einen Zettel auf dem Tresen, den bisher niemand bemerkt hatte. Er nahm ihn in die Hand und las. Er lachte nicht, sondern grinste schief. Er faltete den Zettel zusammen, verließ das Haus und setzte sich auf den Beifahrersitz des Jeeps.
    »Das war mal ein netter Ort«, sagte Aggie und startete den Motor. Joe reichte ihm den Zettel.
    »Was ist das?«
    »Anscheinend hat unser Freund uns eine Nachricht hinterlassen.«
    Aggie faltete das Papier auseinander, las es, schnaubte und gab es dem jüngeren Mann zurück.
    »Was hältst du davon?«
    Aggie überlegte, während er langsam den ersten Gang einlegte. »Ich halte gar nichts davon«, sagte er. »Wer zu viel nachdenkt, kommt um in dieser Gegend. Das solltest du doch inzwischen wissen.«
    Das Grau des Tages verdüsterte sich, und der Donner, der bisher weit entfernt gerumpelt hatte, kam näher. Aggie sagte, mit dem Graben würden sie wohl bis morgen warten müssen. Er lenkte den Jeep von der Plattform auf den Hinterhof und umkreiste das Haus. Die Räder drehten gelegentlich durch, und der Anhänger sank ein, aber sie schafften es auf den Kiesweg und fuhren weiter. Der Junge und das Mädchen wurden auf dem Anhänger hin und her geworfen wie Spielzeugpuppen. Aggie hatte die Nachricht als unwichtig abgetan, aber Joe dachte darüber nach, als er sie in seine Tasche schob. Sie fuhren den schmalen Feldweg entlang, und er schaute die verkrüppelten Bäume an und die verwüstete Landschaft und dachte zum ersten Mal seit langer Zeit an seine Mutter. An seine Mutter in ihrem burgunderfarbenen Kleid, wie sie ihn an der Hand hielt, als sie über die staubige Straße auf das Portal der kleinen Backsteinkirche zugingen. Es kam ihm vor, als wären es eine andere Mutter und ein anderes Kind gewesen. Seine Gedanken wanderten weiter, weg von dem Mann, der er geworden war, und er überließ sich ganz dem Bild von der Mutter und dem kleinen Kind und der Stille im Innern der Kirche. Die Wände waren cremefarben, die Bänke aus Kirschholz, und das leicht verstimmte Harmonium spielte für einen leicht verstimmt klingenden Chor aus Arbeitern mit kurzen Krawatten und alten Damen mit

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