Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
sagte Aggie. »Das Zeug wächst hier nicht auf den Bäumen.« Er hielt die Spraydose hoch, probierte sie einmal aus und rückte dann näher zu Cohen hin.
»Lass mich bloß mit dem Scheiß in Ruhe«, sagte Cohen und rutschte beiseite.
»Komm her und halt die Klappe.«
»Ich sagte, lass mich in Ruhe.«
Aggie rückte näher, Cohen wehrte ihn mit ausgestreckten Armen ab.
»Da ist keine Kugel drin«, stellte Aggie fest. »Also müssen wir die Wunde säubern. Die Blutung stoppen. Anscheinend ist der Knochen nicht verletzt. Halt still.«
»Ich halt nicht still.«
»Musst du aber, wenn’s aufhören soll zu bluten.«
»Leck mich. Du hast auf mich geschossen.«
»Ich hab geschossen. Und ich hätte dich töten können. Könnte ich immer noch. Also hör auf mit diesem Getue, und reiß das Hosenbein ein Stück auf. Entweder so, oder du bleibst da sitzen und blutest weiter.«
Cohen schüttelte den Kopf. Keuchte wütend vor sich hin, spürte die Schmerzen. Schüttelte noch mal den Kopf, du bist dran schuld, jetzt bring’s wieder in Ordnung.
»Dann steh auf«, sagte Aggie.
Cohen richtete sich mühsam auf, und Aggie steckte einen Finger durch das Einschussloch in seiner Hose und riss sie ein Stück auf. Eine knallrote, runde Wunde, frisch und pulsierend. Sein Bein zitterte. Aggie sprühte ein weißliches Zeug darauf, das sich als eisiger Schaum darüberlegte. Dann legte er die Kompresse darauf und forderte Cohen auf, sie festzuhalten. Er rutschte um ihn herum und sprühte den Schaum auf die Stelle, wo die Kugel ausgetreten war, legte eine zweite Kompresse darauf und forderte Cohen auf, sie mit der anderen Hand festzuhalten. Er wickelte die Mullbinde schnell um das Bein und fixierte sie. Cohen stand die ganze Zeit über aufrecht da, mit geballten Fäusten. Jetzt ließ er sich zu Boden fallen, griff nach der Whiskeyflasche und nahm einen großen Schluck. Diesmal warf er sie nicht fort, sondern drückte sie gegen die Brust, als fürchtete er, jemand könnte sie ihm wegnehmen.
Schließlich ging sein Atem wieder ruhiger. Er setzte sich auf und streckte die Beine aus. Immer wieder nippte er am Whiskey und trank ihn in kleinen Schlucken. Aggie trat ein Stück zurück. Hinter ihm brannte das Feuer, und die Umrisse seines Körpers zeichneten sich ab. Sein Gewehr und die Schrotflinte lagen auf dem Boden neben der Tür zu seinem Trailer. Cohen warf einen Blick dorthin. Sein Gesicht war verschmiert von Schmutz, Regenwasser und Schweiß. Eine Weile sagte keiner etwas. Cohen fragte sich, wieso er nicht längst tot war.
»Du hast meinen Hund erschossen«, sagte er.
Aggie zog eine Zigarette hervor und bot Cohen eine an.
»Zünd sie an«, sagte Cohen. Aggie zündete beide Zigaretten an und gab Cohen eine davon.
»Es wäre nicht nötig gewesen, den Hund zu erschießen.«
»Weiß ich«, sagte Aggie. »Aber ich traue Tieren nicht.«
»Blödsinn.« Cohen schüttelte den Kopf.
Aggie wandte sich dem Feuer zu. Seine Silhouette zeichnete sich scharf ab und wirkte bedrohlich.
»Wo hast du den Jeep her?«, fragte er.
»Der gehört mir.« Cohen schaute sich um und entdeckte zwischen zwei Wohnwagen seinen Generator und einige von seinen Möbeln. »Genau wie das da und das und das.« Er deutete auf seine Sachen. Dann bemerkte er die Köpfe in den Fenstern.
»Wo sind der Junge und das Mädchen?«
Aggie rauchte und sah ihn nicht an.
»Ich hab gefragt, wo sind der Junge und das Mädchen.«
»Wo ist Joe?«
»Wer ist Joe?«
»Du weißt, wer Joe ist.«
»Genau wie du weißt, wer der Junge und das Mädchen sind.«
Aggie holte eine neue Zigarette hervor und zündete sie an der an, die er noch im Mund hatte. Dann warf er die aufgerauchte ins Feuer.
»Komm doch rüber zum Feuer«, sagte er.
»Wo sind der Junge und das Mädchen? Sie hat was, das mir gehört. Ihr habt alle irgendwas, was mir gehört, so wie es aussieht.«
»Hast du ihn getötet?«
»Nee, hab ich nicht.«
»Wo ist er dann?«
»Wo sind der Junge und das Mädchen?«
Aggie drehte sich um und kam näher. Kniete sich hin. Die Glut des Feuers schimmerte auf ihren Gesichtern, die Nacht um sie herum war kalt. Aggie schaute auf Cohens Bein. Der Verband färbte sich rot. Er schaute Cohen an.
»Nur was lebendig ist, ist stark«, sagte er.
Cohen verlagerte sein Gewicht, verzog das Gesicht und zog das Bein an.
»Und was stark ist, ist im Recht. Du hast ihn getötet, das ist in Ordnung. Das bedeutet, du bist stark. Wir sind stark. Und deshalb haben wir das Recht dazu.«
Cohen zog
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