Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
okay, okay«, sagte Lorna und atmete tief ein, als die Wehe nachließ.
Cohen lief herum. Er erinnerte sich, dass er recht gehabt hatte, obwohl sie ganz sicher war, dass es ein Junge werden würde. Das sagte sie ihm drei Wochen lang jeden Tag, bevor sie es erfuhren. Es ist ein Junge, ich weiß, dass es ein Junge ist. Nein, sagte er. Und ich wette zwanzig Dollar darauf. Sie lachte und sagte, du hast doch gar keine zwanzig Dollar, und sei bloß froh, dass es kein Mädchen wird. Wenn’s nämlich so ist, dann taugst du nichts.
»Oh, verdammt, es geht schon wieder los«, stöhnte Lorna, als es wieder heftiger wurde.
Er dachte an die zwanzig Dollar, die sie ihm gab, als sie vom Arzt nach Hause zurückkamen und an das Sparschwein, in das er sie steckte. Er dachte daran, wie er seine Hand auf ihren Bauch gelegt hatte. Ihr Bauch war jetzt ganz rund, und alles wirkte jetzt viel realer, da er wusste, dass es ein Mädchen war. Er ging auf dem Trailergrundstück umher, hörte, wie die Frau schrie, und streckte die Hand aus, um diesen runden Bauch noch einmal zu spüren und zu versuchen, das Baby so zu spüren, auf die einzige Art, wie er die Kleine je gespürt hatte. Aber seine Hand spürte jetzt gar nichts, nur die kalte Luft, und seine Erinnerungen an Elisa wurden von den Schreien der leidenden Frau verdrängt und von der Ahnung, was Aggie in diesem Zusammenhang für eine Rolle gespielt hatte.
Es war nicht mehr lange bis zum Morgengrauen, aber angesichts der dicken Wolken am Himmel war das schwer zu sagen. Die Frauen waren in den Wohnwagen zurückgegangen, wo Lorna sich hinlegen und die Beine spreizen konnte. Die Wehen hatten die ganze Nacht über angehalten, und niemand wusste, ob es jetzt Zeit war, die Sache voranzutreiben oder nicht, aber sie tat das jetzt sowieso. Aggie hatte zwei Frauen herausgelassen, die helfen sollten, und die vier waren jetzt zusammen im Wohnwagen, aus dem Lornas Stöhnen und ihre gelegentlichen Schreie drangen, unterbrochen von ermunternden Zurufen der anderen und dem Brausen des herannahenden Sturms. Cohen saß im leeren Wohnwagen, in dem sich nichts weiter befand als eine nackte Matratze auf dem Boden und ein leeres Regal vor der Wand. Er lag auf dem Rücken und schlief mit weit offen stehendem Mund und den Händen neben sich auf dem Boden, als wollte er einen toten Mann darstellen.
Die anderen Frauen hatten gesehen, was los war, und schlugen gegen ihre Türen. Sie wollten herausgelassen werden, damit sie helfen konnten, aber Aggie ignorierte ihr Rufen, bis sie aufhörten. Er stand draußen im Sturm gegen einen der Trailer gelehnt und hielt sich an einem Seil fest. Der Regen durchnässte ihn, während er Lornas Stöhnen zuhörte und sich wünschte, dass es ein Junge würde. Er brauchte einen Jungen, um das zu verwirklichen, was er sich vorgenommen hatte.
Cohen schreckte aus dem Schlaf, als wäre in seinem Traum eine Granate explodiert. Mit weit aufgerissenen Augen und heftig atmend schaute er panisch um sich. Die Schussverletzung an seinem Bein schmerzte stark, er legte die Hand darauf und versuchte, sich zu erinnern, wo er war und was hier vor sich ging. Er schaute sich in dem leeren Raum um. Die Schränke und die Campingküche waren ausgebaut worden, übrig blieben nur die nackten Wände. Es roch nach altem Schweiß. Er stand auf und schaute aus dem Fenster. Durch den Sturm hindurch konnte er den Mann sehen, der mit einem Revolver in der Hand an einem Wohnwagen lehnte. Dann sah er andere Gesichter an den Fenstern der anderen Trailer und realisierte, dass dies alles kein böser Traum gewesen war, sondern die Wirklichkeit. Er fuhr sich mit der Zunge über die ausgetrockneten Lippen und rieb sich den Hals. Sein Kopf schmerzte vom Whiskey. Er legte sich wieder hin und versuchte, sich zu beruhigen und in Erinnerung zu rufen, was passiert war und wo er sich befand, um herauszufinden, wie er hier wieder wegkam.
Die schwangere Frau schrie auf. Es war ein ersticktes Aufheulen, das durch das Brausen des Sturms bis zu ihm drang.
Er humpelte zur Tür, knöpfte seine Jacke auf, zog das Hemd aus der Hose und knöpfte das Messeretui auf. Er zog das Bowiemesser heraus und wechselte es mehrmals von einer Hand in die andere. Es war kalt, er umklammerte es und fühlte sich stark. Die Frau schrie erneut auf. Cohen steckte das Messer zurück in die Scheide, zog sein Hemd darüber und knöpfte die Jacke zu. Er humpelte nach draußen und ging zu Aggie. Im gleichen Moment machte Ava die Tür auf und schrie, etwas
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