Nach der Hölle links (German Edition)
vorzuschreiben, mit wem wir uns abzugeben haben. Mal ganz abgesehen davon, dass du mein Bruder bist und ich mich verdammt noch mal darauf freue, mit dir zusammen Hamburg explodieren zu lassen, bin ich erwachsen. Wie kann sie es wagen, für mich Entscheidungen zu fällen? Wie kann sie es wagen, den Wachhund zu spielen? Was sie mit dir macht … ja, vermutlich können wir nichts anderes mehr von ihr erwarten. Aber sie hat kein Recht, mich oder Papa oder irgendwen dazu zu bringen, dich fallen zu lassen. Und schon gar nicht von hinten durch die kalte Küche. Tut mir leid, du willst keinen Stress. Verstehe ich. Aber so geht es nicht. Ich werde ihr was husten. Da kommt sie nicht dran vorbei. Am besten schaust du in den nächsten Tagen genau aufs Display, wer dich anruft. Kann ja wohl alles nicht wahr sein …«
»Warte wenigstens bis heute Abend«, beschwor Sascha sie. »Ruf sie nicht von hier an. Das versaut uns nur den Tag.«
Katja warf ihm einen Blick zu, der einem Eisberg imponiert hätte. »Von mir aus. Ich warte bis heute Abend. Dir zuliebe. Aber wo wir gerade bei unangenehmen Themen sind: Du siehst scheiße aus. Und ich glaube nicht, dass das an Mama liegt. Gut, und vielleicht hat Tanja mir einen klitzekleinen Tipp gegeben. Also, spuck’s aus: Was ist das für eine Sache mit Andreas, und warum weiß der Kerl nicht, was gut für ihn ist?«
Sascha zögerte. »Weißt du …«, setzte er langsam an.
»Oh nein, vergiss es«, schnitt Katja ihm das Wort ab. »Du wirst nicht still vor dich hinleiden. Du wirst dir auch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen lassen. Du wirst dich jetzt ausheulen und hinterher gehe ich mit dir ins Wasser. Punkt.«
Sascha kannte seine Schwester gut genug, um zu wissen, dass er keine Wahl hatte. Er war froh, dass sie bei ihm war.
* * *
»Gut. Und wie fühlst du dich jetzt damit?«
Einmal mehr wünschte Andreas sich ein Messer. Einen Knüppel. Einen Gummihammer. Oder wenigstens das Recht, Köninger zu treten; mitten in die Weichteile. Er hasste die Endlosschleife seiner Therapie. Er warf sein Innenleben auf den Tisch, regte sich auf, weinte, kämpfte, würgte und wurde hinterher gefragt, wie er sich denn damit fühle.
Fein, es ging ihm besser, wenn man in Jahren rechnete. Aber manchmal – heute – wünschte er sich, er müsste das Gesicht Köningers nie wieder sehen. Höchstens als Bestückung einer Dartscheibe, auf die er den ganzen Tag lang Pfeile warf.
»Ätzend. Schlecht. Unterirdisch«, gab Andreas bissig zurück.
Die Schwäche war nicht aus seinen Gliedern gewichen. Das Wochenende hatte ihn sowohl körperlich als auch psychisch viel gekostet. Deshalb hatte sein Therapeut ihm einen Termin am Montag eingeräumt.
Es war nötig gewesen. Zwar hatte Andreas das Kotzen eingestellt, nachdem Sascha Samstagmittag verschwunden war, aber die Weinkrämpfe hatten lange angehalten. Am Ende hatte er sich über sich selbst geärgert, fand sein Geheule unerträglich und hatte sich mit einer riesigen Peperonipizza auf die Couch verzogen, die er nur für Badezimmerbesuche verlassen hatte – bis heute Morgen.
»Verstehe«, nickte Köninger. »Zerrissen?«
»Ja.«
»Und was zerreißt dich? Du hattest eine Entscheidung gefällt. Du wolltest Sascha zum Freund haben und darüber hinaus nicht weitergehen. Zum zweiten Mal hat sich die Situation anders entwickelt, als du eigentlich wolltest. Was macht das mit dir?«
Andreas warf ihm einen bitterbösen Blick zu. »Was soll das schon mit mir machen? Ich bin wütend. Warum tue ich sowas? Er kommt vorbei, es geht ihm schlecht, mir geht es schlecht. Und dann schaltet mein Kopf ab und das war’s.«
»Hm. Das bedeutet also …«, sagte Köninger langsam. »… dass es dir in gewissen Situationen besser geht, wenn Sascha da ist. Sex ist natürlich etwas, wobei man gut vergessen kann. Aber ich erinnere mich, dass du vorhin gesagt hast, dass du dich in der Nacht sehr wohl gefühlt hast, nachdem ihr die leidenschaftlichen Aspekte ausgelebt hattet.«
»Ja, kann sein.«
»Interessant. Genau, wie ich es interessant finde, dass du wütend auf dich selbst bist. Genau wie beim letzten Mal. Du ärgerst dich. Warum eigentlich?«
Andreas ballte die Fäuste: »Warum schon? Ich bringe mir selbst Ärger ein. Ich weiß, dass ich nicht kann. Ich kann nicht mit Sascha zusammen sein. Er … er macht mir Angst. Dass er gehen könnte.«
Köninger nickte verständnisvoll. »Das kann ich gut nachvollziehen. Niemand wird gern verlassen. Aber verstehe ich dich richtig: Du
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