Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach dir die Sintflut

Nach dir die Sintflut

Titel: Nach dir die Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Kaufman
Vom Netzwerk:
Geschwindigkeit der entgegenkommenden Fahrzeuge oder den Abstand zum Vordermann einzuschätzen.
    Sie benötigte zwei Stunden, um den Highway 11 zu finden, aber von da an ging alles leichter. Auf einer Schnellstraße zu fahren fühlte sich an wie das Schwimmen im Schwarm, und Aberystwyth hielt den gebotenen Abstand zu den anderen Autos ganz intuitiv ein. Nach zwei Stunden auf dem Highway stieg ihr Selbstvertrauen. Sie lehnte sich auf dem Fahrersitz zurück. Sie lenkte einhändig. Sie war so gut wie entspannt. Dann verengte der Highway sich von vier auf zwei Spuren, und plötzlich kam ein Auto direkt auf Aby zu.
    Weder bremste der Fahrer ab noch versuchte er, Aby auszuweichen. Abys erster Impuls war, das Auto nach oben zu reißen, was aber nicht funktionierte. Es war unmöglich, nach rechts oder links abzubiegen. Aby warf einen Blick über die Schulter und sah, dass hinter ihr niemand war. Sie überlegte kurz, überzeugte sich davon, dass ihr Fuß auf dem linken Pedal stand, und trat es durch. Sie machte einen Buckel. Ihre Knie wurden schwach. Ihre Haut verfärbte sich zu einem satten Dunkelgrün, ihre Hände umklammerten das Lenkrad.
    Aby kniff die Augen zu und wartete. Mehrere Sekunden verstrichen, ohne dass ein Zusammenstoß erfolgte. Überrascht öffnete sie die Augen wieder, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie das entgegenkommende Fahrzeug sie nur um Zentimeter
verfehlte. Aby atmete aus. Ihr Griff lockerte sich. Sie drehte den Kopf und sah das andere Auto in der Ferne verschwinden. Sie wollte stoppen und aufgeben, aber sie machte sich klar, was auf dem Spiel stand, und trat auf das rechte Pedal.
    Aby fuhr neun Minuten ohne jeden Zwischenfall weiter, bis ein zweites Auto direkt auf sie zukam. Wieder übte Aby den größtmöglichen Druck auf das linke Pedal aus. Sie machte einen Buckel. Sie schlug sich die Hände vors Gesicht und sah durch die Schwimmhäute, wie das Auto sie um Zentimeter verfehlte.
    Wieder musste sie all ihren Mut zusammennehmen. Sie fuhr weiter. Sie fuhr die ganze Nacht hindurch, ohne anzuhalten. Nach jeder Begegnung mit einem entgegenkommenden Auto verringerte sich ihre Angst, getötet zu werden. Neun Stunden später, kurz hinter der Grenze zwischen Nova Scotia und New Brunswick, trat sie nicht mehr automatisch auf die Bremse, sobald sich Scheinwerfer näherten. Als sie Québec erreicht hatte, hielt Aby nicht mehr auf jedem Berg an, um sich davon zu überzeugen, dass die Straße hinter der Kuppe weiterging.

² Acht
    Unbeabsichtigte Folgen der alle zwei Monate tagenden Gemeinderatssitzung von Morris
    Der Raum C 27 war nicht mit einer Klimaanlage ausgestattet. Die Herren hatten ihre Sakkos abgelegt, die Damen fächelten sich mit der kopierten Tagesordnung Luft zu. Der Schweiß, der dem Bürgermeister auf der Stirn stand, war jedoch nicht durch die Hitze allein ausgelöst worden. Es stand nur noch ein einziger Punkt auf der Tagesordnung, und der Bürgermeister sprach immer schneller. »Nun ja, den letzten Punkt können wir schnell hinter uns bringen«, sagte er. »Es geht um die Dürre.«
    Die meisten Ratsmitglieder hörten schon seit einer Weile nicht mehr zu. Die Erwähnung der inzwischen vierundfünfzig Tage andauernden Hitzewelle ließ sie nicht aufhorchen, wohl aber der Vorschlag des Bürgermeisters.
    »Ich habe mich nach Regenmachern erkundigt«, sagte er.
    Spätestens jetzt hatte er alle Blicke auf sich gezogen. In der Ferne bellte ein Hund. Der Bürgermeister ließ den Blick durch die Runde schweifen und verspürte das unbändige Verlangen, sich zu verteidigen. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und fing zu schwitzen an. »Was haben wir schon zu verlieren?«, rief er.
    »Was sollen sie kosten?«, fragte Margaret, während sie sich das Halstuch zurechtrückte.
    »Jetzt kommt das Beste! Wir brauchen sie nur zu bezahlen, wenn es klappt. Kein Regen - kein Honorar.«

    Daraufhin kippte die Stimmung im Saal. Eine Abstimmung wurde durchgeführt, der Vorschlag angenommen.
    »Mir wurden zwei Regenmacher empfohlen. Ich werde beide anrufen. Es handelt sich um Vater und Sohn, aber anscheinend gibt’s da böses Blut. Vielleicht können wir sie gegeneinander ausspielen und damit unsere Erfolgschancen steigern«, sagte der Bürgermeister. Er nickte, ebenso wie sieben von acht Gemeinderatsmitgliedern. Nur Margaret hielt sich zurück. Eine leise, innere Stimme riet ihr, sich auf das Schlimmste gefasst zu machen.

    Das Handtuch, das Anderson sich um die Hüften geschlungen hatte, rutschte zu

Weitere Kostenlose Bücher