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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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solchen Momenten wünschte er sich weit weg, um Alice nicht wehzutun, sehnte sich zurück in die Zeit, in der er mit Conor auf dem Hügel vor Orlas Haus saß, stumm und auf einfältige, ahnungslose Weise glücklich.
     
    Bei einer der von den Mechanismen des Zufalls gesteuerten Busfahrten gelangte Wilbur in eine Gegend von Queens, die mit ihrer geduldig ertragenen Traurigkeit und dem schläfrigen Willen, nicht vollends in Verwahrlosung zu versinken, etwas Rührendes hatte. Obwohl ein kalter Sprühregen niederging, lief Wilbur eine Stunde lang durch die Straßen, vorbei an Läden, die Autoteile verkauften, Perücken und Tapeten, die Kostüme verliehen und auf Schildern billigen Zahnersatz und Sofortkredite versprachen und deren Schaufenster überfüllte blinkende Guckkästen waren, Einblicke in vergehende Welten aus fröhlicher Schäbigkeit und trotzigem Zukunftsglauben.
    In vielen Vorgärten standen auf gemähten, doppelbettgroßen Rasenstücken bunte Vogelhäuschen, Fahnenmasten und Gipsrehe, das Licht Hunderter Glühbirnen schneite auf ein frühes Rentier, in einer offenen Garage lag, groß wie ein Auto, ein Weihnachtsmann aus Kunststoff. In einem winzigen Laden verkauften drei schwarze Frauen Hosen, die es nur in einer Farbe und einer Größe zu geben schien, ein anderes Geschäft beschränkte sein Angebot auf Schaufeln, Blecheimer und Taschenlampen, als stünde eine Katastrophe oder Goldfieberepidemie bevor. Ein kleiner, bebrillter Mann sah in einem Friseursalon zu, wiezwei Kinder einen Tanz übten, den Wilbur für Walzer hielt. Der Mann unterbrach das Paar, griff sich das übergewichtige Mädchen und zeigte dem Jungen die richtige Schrittfolge, wobei er, um dem schwankenden Busen auszuweichen, den kahlen Kopf nach hinten legte. Der Junge sah aus dem winzigen, hell erleuchteten Ballsaal hinaus in die Nacht und traf den Blick von Wilbur, der stehen geblieben war und jetzt eilig weiterging.
    Als er müde wurde und fror, setzte Wilbur sich in eine Bar, wo er und zwei alte Männer in roten Pförtneruniformen die einzigen Gäste waren. Wilbur bestellte einen Hawaiian Sundowner , der in einem hohen, bauchigen Glas, der Rand in Zucker getaucht, serviert wurde. Weil der Trinkhalm fehlte und es ihm egal war, was man hier von ihm hielt, bat er um einen und bekam auch noch einen Rührstab in Form eines Spießes, auf dessen Ende ein Teufel hockte. Die alten Männer, die in ihren Mänteln wie Soldaten eines geschlagenen Heeres aussahen, prosteten ihm zu und wollten wissen, was er da im Glas habe. Wilbur zählte ihnen die Zutaten auf, Rum, Blue Curaçao, Ananas- und Kokosnusssaft, und die Männer schüttelten sich und tranken ihr Bier.
    Zwei Stunden und zwei Drinks später verließ Wilbur die Bar und machte sich auf die Suche nach einem Kino oder einer Bushaltestelle. Es regnete nicht mehr, dafür wehten eisige Windstöße zwischen die Häu ser. Zeitungsseiten wurden hochgehoben und stiegen in den Nachthimmel, gespenstische Vögel mit beschriebenen Flügeln. In einer Straße, in der es nur Wohnhäuser und keine Läden und Kneipen gab, sah Wilbur auf einer schwarzen Tür eine rote Hand, die mit Linien und Symbolen bedeckt war. Unter der Hand stand in gelber Schrift HANDLESEN und die Aufforderung BITTE EINTRETEN . Eine Weile blieb Wilbur, die Hände in den Taschen der Daunenjacke und mit den Füßen auf der Stelle tretend, vor dem Haus stehen, dann trat er ein.
    Im Flur fand er keinen Lichtschalter und wartete erneut einige Atemzüge lang, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Es roch nach Essen und Tabak, und von weit her drangen die Stimmen, die Musik und der Applaus einer Fernsehshow an Wilburs Ohren. Er fand den Schalter und drückte ihn, worauf ein paar Lampen angingen. Licht sickerte durch einen Bodensatz trockener Insektenleiber, der sich in denSchalen gesammelt hatte. An der Wand, an der schief die verbeulten Briefkästen hingen und Fahrräder lehnten, war die Hand aufgemalt und ein Pfeil, dem Wilbur folgte. Bald stand er vor einer Kopie der Haustür, deren Beschriftung ihn diesmal bat, fünf Mal zu klingeln. Die Wand um die Tür war blau gestrichen und mit gelben Sternen übersät, die, als sich das Licht automatisch ausschaltete, im Halbdunkel nachleuchteten. Wilbur, dem der Alkohol einen fragwürdigen Mut verliehen hatte, klingelte tatsächlich, erschrak dann aber, als in der Wohnung die Glocke schrillte. Trotzdem drückte er den Knopf weitere vier Mal und trat einen Schritt zurück, bereit,

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