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Nach zwei Tagen Regen folgt Montag

Nach zwei Tagen Regen folgt Montag

Titel: Nach zwei Tagen Regen folgt Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Bojanowski
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Doolittle Walcott ritt mit seiner Frau über den Burgess-Pass in den kanadischen Rocky Mountains. Das Pferd der Frau, so wurde berichtet, glitt auf dem Schotter aus. Walcott stieg ab, um das gestürzte Tier aufzurichten. Da fiel ihm eine Schieferplatte auf, die das Pferd beim Straucheln umgedreht hatte. Dieser Moment sollte die Paläontologie – die Wissenschaft des Urzeitlebens – revolutionieren und wichtige Beweise für Darwins Evolutionstheorie liefern. Auf dem Schiefer erblickte Walcott die versteinerten Abdrücke eines Kleintiers.
    Der Autodidakt und leidenschaftliche Forscher aus Utica im US -Bundesstaat New York wäre am liebsten gleich dortgeblieben, um sämtliche Platten umzudrehen. Doch das schlechte Wetter trieb ihn nach Hause. Zuvor hatte Walcott auf einer Landkarte noch den Ort markiert. Natürlich ahnte er nicht, dass er die größte Schatzkammer des Urzeitlebens entdeckt hatte. An einen interessanten Fund glaubte er aber wohl. Und so kehrte Walcott im folgenden Frühjahr zurück und fand heraus, dass der Schotter von einem Felssturz stammte. Er folgte den Spuren der Lawine fast bis hinauf zum Berggipfel. In 2400 Meter Höhe stand er vor einer Flanke aus Schiefergestein von der Größe einer Reihenhauszeile. Silbrig schimmerten die Abdrücke unzähliger Lebewesen im schwarzen Fels. Wie ein steinernes Buch des Lebens hatte der Berg eines der interessantesten Kapitel der Erdgeschichte konserviert: die sogenannte Kambrische Explosion vor gut 500 Millionen Jahren. Sie war gleichsam der »Urknall« des Lebens auf der Erde: Damals waren binnen weniger Millionen Jahre beinahe alle Körperbaupläne der Tiere entstanden. In den dreieinhalb Milliarden Jahren zuvor war die Erde ein öder Planet gewesen. Lediglich Bakterien und – viel später – simple Schleimorganismen hatten die Flachmeere bevölkert. Im Kambrium entstanden plötzlich höhere Lebensformen. Ohne die Entdeckung des Burgess-Schiefers wäre diese entscheidende Epoche der Evolution im Dunkeln geblieben – zu dieser Zeit machte die Entwicklung des Lebens seinen vielleicht größten Sprung: »Es war, als ob ein Bühnenvorhang mit einem Ruck aufgerissen wurde und mitten in der Handlung des ersten Aktes den Blick freigab auf diese Zeit«, sagt der Paläontologe Richard Fortey vom Naturhistorischen Museum in London.
    Zu keinem späteren Zeitpunkt wurde eine ähnlich reiche Fossilienstätte von solch immenser wissenschaftlicher Bedeutung gefunden. Die Vielfalt der Formen erstaunt Wissenschaftler bis heute, 140 Arten wurden gezählt. Erst der Blick in den Burgess-Schiefer habe gezeigt, »wie viel reicher die Welt einst war und wie viel weniger berechenbar«, schwärmt Fortey. Walcott hämmerte etwa 70.000 Abdrücke von Urzeitwesen aus dem Schiefer. Die ersten sandte er an Museen in aller Welt. »Er hatte Sorge, die Fachwelt könnte an seiner aufregenden Entdeckung zweifeln«, sagt Fortey. Auch bei der Namensgebung ging Walcott auf Nummer sicher: Vielen Fossilien gab er Namen bedeutender Paläontologen. Den Spitzenkrebs Marrella etwa benannte er nach Johnny Marr, seinerzeit die höchste Instanz der britischen Urzeitforschung.
    Die Burgess-Region lag im frühen Kambrium vor gut 500 Millionen Jahren in einem Flachmeer, in dem sich unzählige Lebewesen tummelten. Ihnen wurde der Zusammenbruch einer Klippe zum Verhängnis: Der Schutt begrub Abertausende Tiere am Meeresboden – und schuf damit ein Massengrab für die Ewigkeit. Zufälle führten dazu, dass die Stätte erhalten blieb. Kadaver, die in sauerstofflosem Milieu die normale Zersetzung überdauern, werden meist durch Erosion endgültig beseitigt, stetig schmirgeln Wind und Wasser die Erdkruste. Im Burgess-Schiefer aber sorgten seltene chemische Prozesse dafür, dass ein stabiler Zement die Abdrücke ausfüllte; tief im Berg blieben sie erhalten. Das Leben in den Ozeanen sei heute weitaus weniger vielgestaltig als in jenem Flachmeergebiet des Burgess-Schiefers, staunte der berühmte, 2002 verstorbene Geologe Stephen Jay Gould. Das Sortiment an Wassertieren »hätte jeden Fischhändler glücklich gemacht«, witzelt hingegen Richard Fortey.
    Es war eine bizarre Welt. Ein Gliederfüßer namens Anomalocaris canadensis etwa ähnelte einem Mini-Weihnachtsbaum mit Geweih auf der Spitze. Das Krabbeltier Opabinia hatte fünf Augen und einen Rüssel mit Klauen an der Öffnung. Hallicugenia scheint auf sieben Stelzen über den Meeresboden gewankt zu sein. Und Odontogriphus – eine Art Fladen – wirke wie ein

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