Nachhaltig tot (German Edition)
Soltchovitch und Bulikova als Mitwisser genannt worden. Um das Leben der in Russland Inhaftierten nicht zu gefährden, wurde damals darauf verzichtet, die Namen zu veröffentlichen. Diese Rücksichtnahme ist nunmehr hinfällig. Am russischen Gas klebt Blut, das wird nun offenkundig. Politik und Wirtschaft sollten sich reiflich überlegen, ob sie diese Menschenrechtsverstöße hinnehmen wollen. Verbraucher müssen wissen, dass sie mit jedem Kubikmeter Gas auch ein Stück der Achtung der Menschenrechte verbrennen. Es bleibt abzuwarten, was sich die Verantwortlichen diesmal einfallen lassen, um den Skandal schönzureden oder gar unter den Tisch fallen zu lassen.
Fernsehanstalten und die Menschenrechtsorganisationen traten vor die Kameras. Plötzlich war es kein deutsch-russisches Problem mehr, die ganze Welt schaute nach Berlin und Moskau.
Noch am Tag der Veröffentlichung reagierten die Presseabteilungen der beschuldigten Stellen.
Der Kanzler beeilte sich zu erklären, dass das Kanzleramt von alledem nichts gewusst habe und machte das Wirtschaftsministerium für die Ungereimtheiten, die selbstverständlich schonungslos aufgeklärt werden müssten, verantwortlich.
Der Außenminister bestellte demonstrativ den russischen Botschafter ein und teilte ihm angeblich unmissverständlich mit, dass die Bundesregierung äußerst besorgt sei über die Menschenrechtssituation in Russland.
Die Deutsche Gas gab bekannt, alles zu tun, um die Hintergründe aufzuklären und versprach, ihre Einkaufspolitik einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
Das schlechte Gewissen der am Skandal beteiligten deutschen Institutionen schien schlagartig kollektiv erwacht zu sein, nur die Russen rührten sich nicht.
Gaspol äußerte sich mit keinem Wort, und die russische Regierung gab bekannt, man verbitte sich jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes.
Noch während die öffentliche Diskussion facettenreich und vehement geführt wurde, erschütterte eine neue Nachricht die Welt.
Auf einem Flug, der ihn während eines Arbeitsbesuches von Odessa nach Moskau führen sollte, war die Regierungsmaschine des deutschen Wirtschaftsministers kurz nach dem Start abgestürzt und explodiert. Es gab keine Überlebenden. Die Welt war bestürzt, zumindest tat sie offiziell so.
„Er hat sich im wahrsten Sinne des Wortes um sein Land verdient gemacht“, kommentierte Beatrice Bernstein die Nachricht.
„Ich steig jetzt um auf Heizöl“, antwortete Alfred Kronwitter. „Gas hat in Deutschland wieder einen schlechten Ruf.“
Das Geschäft
Janine Denne
Das Klingeln des Telefons ließ ihn zusammenschrecken. Mit zitternden Händen nahm er den Hörer ab. Er musste hart schlucken, bevor er sich melden konnte. „Ja, bitte?“ Seine Stimme klang verzagt und leise und hatte nichts mit dem wortgewandten Politiker zu tun, der er sonst war. „Herr Dr. Blum? Ich bin’s nur nochmal, Leni Hartwig“, meldete sich seine Assistentin, die wie immer gut gelaunt war. „Ich habe ganz vergessen, Ihnen zu sagen, dass Ihre Frau noch einmal angerufen hat, kurz bevor ich gegangen bin. Könnten Sie sie zurückrufen?“ Dr. Blum schluckte noch einmal. Er war zwar erleichtert, dass es nur Frau Hartwig war, aber dennoch fühlte er sich noch immer schrecklich nervös und angespannt. „In Ordnung, Frau Hartwig, vielen Dank“, antwortete er mit belegter Stimme und legte auf, ohne abzuwarten, ob sie noch etwas hinzuzufügen hatte. Bevor er seine Frau anrief, tupfte er sich die feuchte Stirn hektisch mit einem Stofftaschentuch ab und goss sich aus der großen Glaskaraffe, die auf seinem Schreibtisch stand, ein Glas Wasser ein, das er gierig austrank. Sein Hemd klebte feucht an seinem Rücken, als er über den Schreibtisch langte und die Handynummer seiner Frau wählte. „Liebes, du wolltest mich sprechen?“, fragte er, als die Gattin das Gespräch entgegennahm. „Hallo Bärchen“, antwortete sie, „es geht nochmal um heute Abend. Ich habe deinen Smoking aus der Reinigung geholt, aber ich finde einfach, dass deine beiden Fliegen vom letzten Jahr gar nicht mehr dazu passen. Die sind nicht mehr zeitgemäß. Ich habe dir drei neue besorgt, die du unbedingt anprobieren musst, bevor wir gehen. Komm mir ja nicht mit den alten Dingern zum Empfang, hörst du?“, plapperte sie munter drauf los. „Liebes“, versuchte Dr. Blum sie mit flehender Stimme zu unterbrechen, „ich habe jetzt gerade wirklich keine Zeit für so etwas. Mach das doch einfach, wie du denkst,
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