Nachhilfe in Erster Liebe
sich für keine von uns entscheiden«, seufze ich.
»Das glaube ich allerdings auch«, fällt Patricia in mein Seufzen ein.
»Hoffentlich«, regt sich Marie auf. »Sonst vernachlässigt er am Ende wegen euch das Fußballtraining, und wie stehe ich dann da, ohne Sturmpartner?«
Jetzt können selbst Siri und ich gar nicht mehr anders, als uns fassungslos stöhnend in die Arme zu sinken bei so viel Gefühlsabstinenz.
27. Kapitel
W o Marie zu wenig Gefühl hat, habe ich zu viel. Mein Herz pocht so stark, dass ich sehen kann, wie sich mein T-Shirt deswegen bewegt.
Eigentlich wollte ich direkt zu Jan. Aber das schaffe ich nicht. Ich muss mich wenigstens ein bisschen beruhigen, sonst bekomme ich keinen Ton heraus. Außerdem muss ich mich umziehen. Mir ist heute nach all den Ereignissen mit meinen Freundinnen, die wieder meine Freundinnen sind, und mit Jan, der zumindest wieder mein Kumpel werden kann, irgendwie feierlicher zumute als nach Jeans und Shirt. Und obwohl ich weiß, dass Jan es völlig egal ist, was ich anhabe, kann ich heute nicht anders, als in meinem Schrank nach etwas Passendem für mein Gespräch mit ihm zu wühlen. Das »Sexy Girl«-Shirt werfe ich sofort in die Ecke. Viel zu auffällig. Viel zu unglaubwürdig.
Ich bin noch mitten im Suchen und Wühlen und Probieren, als es unten an der Tür klingelt. »Bitte lass es nicht Jan sein«, bete ich total konfus angesichts der Zeitschleife, in die ich geraten zu sein scheine. Denn bei der ersten Nachhilfestunde war ich genau wie jetzt auch noch nicht fertig
mit Umziehen, als es klingelte und Jan überraschend dastand.
Dann denke ich mir aber, dass ich damals einfach wieder die gleichen alten Klamotten angezogen habe und es dann mit der Nachhilfe besser lief als befürchtet. Bis auf die Kleinigkeit, dass wir nicht zusammenkamen. Ist es nun also ein schlechtes Omen oder ein gutes Omen, wenn ich die gleichen Klamotten wieder anziehe?
»Katja, wenn du rätst, wer für dich da ist, mache ich im nächsten Monat deinen Teil vom Putzdienst«, schreit mein Bruder siegesgewiss von unten. Dieses Angebot ist derart gut, dass ich das Risiko sofort eingehe. Ich schreie durch die offene Zimmertür cool zurück: »Sag Jan, ich komme gleich.«
Mein Bruder ist still. Klar ausgekontert, grinse ich.
Dann ist es leider nicht mehr still. Ich höre Schritte auf der Treppe. Entsetzt sehe ich auf den Kleiderhaufen inmitten meines Zimmers. Und noch entsetzter sehe ich auf meinen spärlich bekleideten Oberkörper. Ich greife zum erstbesten Kleidungsstück und streife es mir eilig über, falls die Schritte tatsächlich zu Jan gehören und er in Kürze in mein Zimmer treten sollte.
Er ist es wirklich. Ich freue mich so, ihn wiederzusehen, und bin so aufgeregt, dass ich gar nichts sagen kann. Deshalb fällt mir lange nicht auf, dass Jan ebenso wenig sagt. Ich muss unfreiwillig grinsen, denn es ist tatsächlich wie in einer Zeitschleife. Bei der ersten Nachhilfestunde standen wir uns auch so lange gegenüber und haben gar nichts gesagt.
Ich glaube, weil ich grinse, grinst Jan jetzt auch. Und zeigt
auf mich. »Nicht übel, dich schon mal warm anzuziehen für unser Gespräch.« Tolle Drohung. Ich hoffe, er macht nur einen Witz, aber leider bin ich da nicht sicher.
Doch zunächst einmal muss ich mich genau ansehen, denn mir ist nicht klar, was Jan eigentlich meint. Ich sehe also an mir herunter und sehe, dass ich in der Hektik meinen dicksten Winterstrickrollkragenpulli übergezogen habe. Dabei ist es schon Ende April und ziemlich warm. Mir ist sogar eher heiß, verdammt heiß. Aber weil ich sonst gar nichts darunter trage, kann ich den Pullover nicht wieder ausziehen.
Jan zeigt jetzt auf den Boden. »An mangelnder Auswahl kann’s ja nicht liegen.« Nein, eher an mangelndem Verstand.
Und nun ist doch nicht mehr alles wie in der ersten Nachhilfestunde. Damals habe ich ihm den Anblick meines Kleiderhaufens erspart, weil ich unten im Wohnzimmer geblieben bin. Jetzt ist es zu spät dazu. Vor lauter Peinlichkeiten kann ich aber immer noch nichts sagen. Seit Jan gekommen ist, habe ich noch kein Wort herausgebracht. Und ich habe Angst, weil seine Andeutung, ich könne mich für unser Gespräch warm anziehen, doch irgendwie klingt, als werde nicht alles wieder gut, sondern noch schlimmer als bisher.
Jan grinst jetzt auch nicht mehr, sondern sieht ganz ernst aus.
»Ich weiß nicht, ob du nicht mehr mit mir reden willst«, fängt er dann an. »Könnte ich ja verstehen.«
Ich will
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