Nachhilfe in Erster Liebe
Freund, viel Spaß mit Patrick, lieber einen mit Auto statt mit Waveboard haben und so
gemeint hat, eigentlich doch heißen muss, dass er irgendetwas für mich empfindet, was mit einem Kumpel so viel zu tun hat wie ein Pinguin mit einem Backofen. So blöd kann nicht mal ich sein, dass ich nicht merke, dass das, was Jan für mich fühlt, gar nicht so viel anders sein kann als das, was ich für Jan fühle. Und dass ich das jetzt klären muss, bevor er verschwunden ist und diese einmalige Chance gleich mit.
Wenn’s sein muss, mach ich mich dafür jetzt auch noch mal lächerlich. Daran bin ich immerhin gewöhnt. Nur nicht daran, einen festen Freund zu haben, beziehungsweise ihn vielleicht schon zu verlieren, bevor ich ihn habe. Weil so ein Liebeskummer vielleicht sogar noch viel schlimmer ist, als sich nur lächerlich zu machen, nehme ich das Risiko auf mich und hechte Jan hinterher, packe ihn auf der Türschwelle aus meinem Zimmer am Arm und platze heraus mit »Ich will ja auch«.
Dann ist es für einen Moment so, als sei nicht nur ich mit etwas heraus-, sondern tatsächlich eine Bombe geplatzt. Es ist ein alles verändernder Moment, auf den man überhaupt nicht vorbereitet ist und von dem man noch keine Ahnung hat, wie das Leben ab jetzt weitergehen wird.
Jan dreht sich langsam zu mir um und sieht mich ungläubig an.
» Was willst du?«
Ich traue mich jetzt doch nicht, »Dich« zu sagen, aber bevor ich etwas anderes antworten kann, fällt mir zum Glück ein, dass mein Bruder ja zu Hause ist und hier im Flur alles mithören kann. Schnell ziehe ich Jan wieder in mein Zimmer zurück und schließe die Tür. Dann sage ich zu ihm ein bisschen
unverfänglicher und weniger aufdringlich: »Na das Gleiche wie du.«
Jan sieht mich so intensiv an, als wolle er in mir lesen. Weil da aber offensichtlich nicht so viel steht, wie er gern wüsste, muss er dann doch fragen. »Und was ist mit deinem Patrick?«
»Das ist mein Gitarrenlehrer.«
Jan macht keine Anstalten, deswegen freundlicher auszusehen. Dann kapiere ich auch, wieso. Mein Gitarrenlehrer könnte ja trotzdem auch mein Freund sein.
» Nur mein Gitarrenlehrer«, korrigiere ich schnell.
Und weil zur Abwechslung Jan mal nichts sagt und nur blöd schaut, erkläre ich ihm, dass er mir doch selbst geraten hatte, nicht aufzugeben, sondern für das zu kämpfen, was mir wichtig sei. Und so habe ich gekämpft für mein Konzert und Patrick ist mit mir hingegangen, erzähle ich Jan von jenem Abend. »Das ist alles.«
»Das ist ganz schön viel«, nickt Jan und sieht mich ungefähr so an, wie ich ihn angesehen habe, als ich gemerkt habe, dass er kochen kann. »Du bist echt der Hammer, Katja.«
Falsch. Verliebtsein ist der Hammer. In mir vibriert es richtig vor lauter Aufregung. Wahrscheinlich beugt sich Jan gleich zu mir und küsst mich.
Das wird der Tag meines Lebens, bin ich mir jetzt sicher und frage mich schon, welches Datum wir heute haben, weil man sich so was unbedingt merken muss, wenn’s passiert, sagt Patricia immer.
Tatsächlich beugt sich Jan nun zu mir. Ich bin bereit. Gleich kommt der erste richtige Kuss meines Lebens mit dem ersten richtigen Freund meines Lebens. Doch während
ich darauf warte, geht Jans Blick plötzlich an mir vorbei und statt zu mir beugt er sich nur über meinen Schreibtisch und nimmt total verspannt einen Prospekt über Schüleraustausch in Frankreich in die Hand.
»Du willst nach Frankreich gehen?«, fragt er und reißt mich damit völlig aus meiner Kussmeditation.
»Unverhofft kommt oft«, sagt meine Oma. Haha, unverhofft kommt nie. Und ein unverhoffter Kuss schon gar nicht.
Jan hat nur noch Augen für diesen dämlichen Prospekt statt für mich. Wenn er schon – bevor’s überhaupt richtig anfängt – ein Blatt Papier spannender findet als mich und Lesen fesselnder als Küssen, kann ich’s gleich vergessen.
Erst bin ich total sauer auf Jan und dann total sauer auf mich selbst, weil ich für ein paar Minuten auf ihn reingefallen bin und im Ernst gedacht habe, er will wirklich was von mir. Dabei beachtet er mich gar nicht, ich bin ihm total egal. Und bin darüber so wütend, dass ich Jan anschnauze: »Du brauchst sowieso keine Franznachhilfe mehr, also zick nicht rum.«
Jan lässt den Prospekt sinken und sieht mich überrascht an. Wow, er hat immerhin gemerkt, dass ich noch da bin.
»Aber vielleicht ’ne andere Nachhilfe.« Jan sieht mich so intensiv an wie gerade eben noch diesen Prospekt. Sind Jungs eigentlich immer so
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