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Nachkriegskinder

Nachkriegskinder

Titel: Nachkriegskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Bode
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Hälfte meiner Klassenkameraden ist gefallen oder wurde vermisst. Diejenigen, mit denen ich befreundet war, haben nicht überlebt. Außerdem hat man sich natürlich auch normalerweise nach neun Jahren verändert.
     
    Wann haben Sie von der Vernichtung der Juden gehört?
    Im Gefangenenlager in Posen hingen am Schwarzen Brett Bilder von den KZs. Da haben wir zunächst einmal reagiert wie: 1914/18 wurde auch behauptet, die Deutschen hätten den Kindern die Hände abgehackt u. ä. Den Holocaust haben wir erst später allmählich als Realität kennen gelernt. In den ersten Jahren bekamen wir keine Informationen und waren sehr mit unserem eigenen schweren Schicksal beschäftigt. Ab 1948 bekamen wir dann in Moskau DDR-Zeitungen. Dann bestand die Möglichkeit allmählich von den Ereignissen zu hören, die sich in der Zeit bis dahin abgespielt hatten.
     
    Haben Sie während Ihrer Wehrmachtszeit von den Verbrechen gehört?
    Nein.
     
    Auch nicht in Jugoslawien?
    Nein. Bei uns gab es keine Kriegsverbrechen. Wir haben ja dort einen Krieg gegen Partisanen geführt, die keine Gesetze kannten. Wir wussten: Sie würden uns als Gefangene sofort töten. Aber wir haben Partisanen gefangengenommen. Sie kamen dann in Kriegsgefangenenlager. Das müssen Sie sich so vorstellen wie |108| heute in Kundus. Wir lagen in einer Stadt und haben versucht, die Gegend zu befrieden, und da sind wir oft in Fallen gelaufen. Die Partisanen kannten das Gelände viel besser als wir. Und wer ihnen in die Hände fiel, der war tot. Das wussten wir. Daher waren wir sehr auf uns und unsere Lage konzentriert. Da gab es kaum Zeit und Gelegenheit, sich für andere Geschehnisse zu interessieren. Heutige Menschen, die mit Informationen von den Medien überflutet werden, die Fernsehen, Radio, Telefon und Handy haben, können sich kaum vorstellen, dass es das alles nicht gab und dass Menschen, die vielleicht verboten am Radio feindliche Sender hörten, zum Tode verurteilt wurden, wenn es ruchbar wurde. Wir bekamen in Jugoslawien gelegentlich eine deutsche Zeitung. In der stand nichts, was wir nicht wissen sollten.
     
    Wie lange hat Ihre Begeisterung für den Krieg angehalten?
    Begeisterung hat es eigentlich überhaupt nicht gegeben. Wir führten einen uns aufgezwungenen Krieg und mussten unser Land verteidigen. Da wollten wir nicht zurückstehen. Die Realität des Krieges habe ich ganz schnell im Winter 1941/42 kennen gelernt, die vielen toten Kameraden, die wir begraben haben. Ich selbst habe auch keine positiven Siegeserlebnisse gehabt, sondern wir sind ganz schwer vorwärts gekommen und dann zurückgeschlagen worden.
     
    Bei Leningrad?
    Ja. Da habe ich gewusst, was Krieg ist und dass dieser Krieg lange dauern würde. Man hat natürlich noch gehofft, dass er gewonnen würde – bis Stalingrad. Man hatte als Soldat ja auch keinen Einfluss auf das Geschehen, man konnte ja nicht weglaufen. Ich habe noch Glück gehabt, denn vier Jahre in Russland hätte ich wahrscheinlich nicht überlebt. Eines Abends entdeckte ich einen Ausschuss aus meinem Koppelschloss. – Das Koppel kann ich Ihnen noch heute zeigen! Ich habe es noch. Ich dachte: Seltsam, der Schuss muss doch durch deinen Bauch gegangen sein, und du |109| hast nichts bemerkt. Ich hatte großes Glück, denn der Schuss traf die Patronentasche, die am Koppel befestigt war und darin eine Patrone. Dadurch wurde er abgelenkt und trat am Koppelschloss wieder heraus und hinterließ einen 2 cm großen Ausschuss.
     
    Haben Sie eigentlich begriffen, was die Deutschen in Russland wollten? Ich meine, die Bevölkerung dort war so arm, das haben Sie ja vorhin auch geschildert.
    Es gab zwei Gründe: Der Kommunismus mit seiner bekannten Grausamkeit bedrohte uns. Wir kannten das ja aus der Zeit vor dem Krieg. Die ganze Welt sollte kommunistisch werden. Wir haben einen Präventivkrieg geführt. Dazu gab es die Wahn-Idee vom Volk ohne Raum. Da lockte die Kornkammer der Ukraine.
     
    Haben Sie mal irgendwann gedacht: Meine Güte, was machen wir hier, die Leute sind so bettelarm, denen geht’s doch so viel schlechter als uns …
    Ich glaube, darüber haben wir nicht nachgedacht. Der Krieg wurde uns so dargestellt, als müssten wir uns gegen den Bolschewismus verteidigen. Und ich meine: Die standen ja auch da! Ob die auch zu uns gekommen wären, wenn wir nicht vorher zu ihnen gekommen wären, das weiß man nicht. Die Geschichtsforschung ist da, glaube ich, nicht ganz am Ende.
     
    Sie waren ein normaler deutscher Junge aus

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