Nachricht von dir
meine Neugier zu befriedigen, indem ich Ihnen drei Fragen stelle:
1) Warum serviert der angeblich »beste Küchenchef der Welt« heute Steak mit Pommes in einem einfachen Lokal?
2) Warum sind Sie um 4 Uhr morgens noch wach?
3) Lieben Sie Ihre Exfrau noch?
Kaum hatte Madeline auf SENDEN gedrückt, war ihr auch schon klar, dass sie eine Dummheit begangen hatte. Aber nun war es zu spät …
Sie verließ das Pierre & Paul und überquerte, vom Wein beschwingt, die Straße.
»Hey! Pass doch auf, wo du hingehst, dumme Gans!«, rief ihr ein Yuppie zu, dem eine Haarsträhne bis in die Augen hing und der sie mit seinem Leihrad beinah umgefahren hätte.
Um ihm auszuweichen, trat Madeline rasch einen Schritt zurück, wurde jedoch von der Hupe eines Geländewagens aufgehalten, der das Fahrrad rechts zu überholen versuchte. Sie bekam Angst, wich dem Allradfahrzeug geschickt aus und erreichte den gegenüberliegenden Bürgersteig, wobei sie sich unterwegs den Absatz einer Stiefelette abbrach.
»Mist aber auch!«, flüsterte sie, als sie die Tür zu ihrem Laden öffnete, um sich in ihren Jardin Extraordinaire zu flüchten. Sie liebte Paris, sie hasste die Pariser …
»Alles in Ordnung, Madame?«, fragte Takumi, der bemerkte, dass sie leicht unter Schock stand.
»Du bist wirklich schwer von Begriff!«, warf sie ihm, um Haltung bemüht, vor.
»Pardon«, korrigierte sich Takumi. »Alles in Ordnung, Madeline ?«
»Ja, ja, nur dieser verdammte Absatz …«
Sie sprach den Satz nicht zu Ende und benetzte sich das Gesicht mit Wasser, bevor sie ihre Schuhe und ihre Jacke vor ihrem staunenden Angestellten auszog.
»Du brauchst mich gar nicht mit diesem lüsternen Blick anzustarren – damit wäre der Striptease auch schon beendet.«
Als Madeline sah, dass Takumi knallrot wurde, tat ihr der Ausbruch auch schon leid – zwischen ihnen beiden sollte keine ungute Stimmung aufkommen.
»Du kannst zum Essen gehen. Lass dir Zeit, ich kümmere mich hier um alles.«
Sobald sie allein im Geschäft war, stürzte sie sich auf Jonathans Smartphone. Er hatte soeben geantwortet:
Liebe Madeline,
um Ihre Neugier zu befriedigen, hier die Antwort auf Ihre Fragen:
1) Wenn es denn jemals so gewesen ist, dass ich der »beste Küchenchef der Welt« war, so ist dies lange her. Sagen wir, dass mir wie einem Schriftsteller die nötige Inspiration und Leidenschaft abhandengekommen sind, um Innovatives hervorzubringen. Falls Sie mit Ihrem Raphael je durch San Francisco kommen, sollten Sie es sich dennoch nicht entgehen lassen, unser »Steak mit Pommes« zu probieren. Unser Prime Rib ist wunderbar zart und schmackhaft, und die Pommes sind in Wahrheit Bratkartoffeln mit Knoblauch, Basilikum und Petersilie. Die Kartoffelsorte nennt sich »Belles de Fontenay« und wird in kleiner Menge von einem örtlichen Kartoffelbauern angebaut. Unsere Gäste finden sie besonders saftig und genau richtig gebräunt.
2) Es stimmt, dass ich um 4 Uhr morgens noch wach bin. Der Grund? Zwei Fragen, die mir im Kopf herumgehen und mich am Schlafen hindern.
3) Was geht Sie das an?
In der Rue d’Odessa betrat Takumi das kleine Restaurant, in dem er Stammgast war. Er grüßte den Wirt und ließ sich etwas abseits im zweiten, ruhigeren und weniger überlaufenen Raum nieder. Er bestellte in Blätterteig gebackene Tomaten mit Ziegenfrischkäse: Diese Spezialität hatte er durch Madeline kennengelernt. Während er auf sein Essen wartete, holte er sein Taschenwörterbuch hervor, um die Bedeutung des Wortes »lüstern« nachzuschlagen, die er mit Beschämung zur Kenntnis nahm. Wie bei einem Fehler ertappt, hatte er plötzlich den irrationalen Eindruck, von allen Gästen vorwurfsvoll angestarrt zu werden. Madeline machte sich ein Vergnügen daraus, ihn zu provozieren und zu verunsichern. Er bedauerte, dass sie ihn nicht für voll nahm und in ihm eher einen Jugendlichen als einen Mann sah. Ihn faszinierte diese Frau wie eine geheimnisvolle Blume. Meist strahlte sie, blond wie eine Sonnenblume, und verströmte ihr Licht, ihr Selbstvertrauen und ihre Begeisterung. In manchen Augenblicken jedoch konnte sie mysteriös und finster sein wie eine schwarze Orchidee: eine seltene, von Sammlern gesuchte Blume, die mitten im Winter auf Madagaskar blüht.
Der Kunde kam ungelegen. Madeline musste, um ihn zu bedienen, das Schreiben der E -Mail unterbrechen und verbarg das Smartphone in der kleinen Schürzentasche. Es war ein Jugendlicher zwischen
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