Nachrichten an Paul
schlendern über den Kunsthandwerksmarkt in der Rua das Carmelitas . Es gibt Bilderrahmen, die mit alten Comic-Heften beklebt sind und Broschen aus Stoff, es gibt handgenähte Taschen und Windspiele aus Bambus. An einem Stand gibt es für zwei Euro ein kleines Heft über die Kunst des Kartenlegens: A sorte pelas cartas . Ein ganz einfacher Druck, vom Aussehen her aus den sechziger Jahren und ich bin natürlich in Versuchung das Heft zu kaufen, aber erstens habe ich ja schon Agathe und zweitens steht Miguel direkt neben mir. Und was soll er da von mir denken. Also lieber nicht. Am Ende der Straße steht ein Puppenspieler. Aus dem Kassettenrecorder kommt Geigenmusik. Die Marionette bewegt sich in einer kleinen Bühne und spielt auf der Geige.
Mittags essen wir in einem kleinen Restaurant und abends gehen wir zum Fado.
Und weil dieser Fado nur von Herzschmerz und Sehnsucht handelt, und weil diese Guitarras lange verstummte Saiten in mir zum Klingen gebracht haben, und weil Miguel so nett und so nah ist und weil Else Seel mit ihrem Georg so glücklich geworden ist und weil ich schon so lange alleine bin und weil Dona Ermelinda im Grunde Recht hat und man sich wirklich irgendwann wieder nach einer Schulter zum Anlehnen sehnt, stehe ich doch plötzlich mitten in der Nacht vor Miguels Schlafzimmertür, statt brav in meinem Gästezimmer zu schlafen. Ich öffne die Tür und sehe Miguel im Bett liegen. Ich gehe zum Bett. Miguel schläft auch noch nicht. Er sieht mich an.
„Irgendwas nicht in Ordnung?“, sagt er. „Brauchst du was? Bist du krank?“
Das ist nicht gerade die romantische Eröffnung, die mir das jetzt hier irgendwie leicht macht. Aber ich nehme nochmal meinen ganzen Mut zusammen.
„Ich würde gerne“, sage ich. „Also ich – also ich würde sehr gerne mit dir schlafen.“
Jetzt ist es raus.
„Ich würde auch sehr gerne mit dir schlafen“, sagt Miguel und mein Herz macht einen Sprung. Jetzt ist es so weit.
„Aber es geht nicht“, sagt Miguel.
Es geht nicht, es geht nicht, was passiert hier? Ich stehe sprachlos vor Miguels Bett. Was soll das denn heißen? Ich muss raus hier. Ich drehe mich um und will das Zimmer verlassen, da sagt Miguel: Anna komm zurück, bitte, und er schlägt die Bettdecke auf und rückt ein Stückchen zur Seite und ich drehe mich wieder zu ihm und lege mich in sein Bett.
„Ich würde auch sehr gerne mit dir schlafen“, sagt Miguel. „Aber ich mag dich unglaublich gerne, das musst du doch gemerkt haben.“
Ich liege im Bett und spüre seine Wärme und sage nichts, denn manchmal bewährt sich das, einfach nichts sagen. Habe ich das richtig verstanden? Er schläft nicht mit mir, weil er mich gerne mag und wenn er mich nicht mögen würde, würde er jetzt mit mir schlafen?
„Wenn wir zusammen schlafen, dann möchte ich, dass wir auch zusammen sind. Richtig zusammen. Ich möchte nicht einfach so mit dir schlafen und das war´s, dazu bist du mir zu wichtig“, sagt Miguel.
Das ist ja hier fast wie in einem von Claras Kitschromanen. Und nun? Nun liege ich hier. Das kann doch nicht sein. Vielleicht ist es einfach eine gut getarnte Abfuhr, eines von diesen: Wir müssen uns trennen, du bist zu gut für mich. Aber irgendwie klang es eher nach dem Gegenteil. Was war denn mit diesen anderen Frauen, er kann mir doch nicht erzählen, dass das jedes Mal was total Ernstes war.
„Was war denn mit den anderen Frauen“, frage ich. „Was das jedes Mal was Ernstes?“
„Das war was Anderes“, sagt Miguel.
„Okay“, sage ich. „Und was war anders?“
Immerhin liege ich jetzt hier schon in seinem Bett. Das kann ja vielleicht doch noch was werden. Wir liegen hier und reden und kommen uns näher und dann ...
„Isabel war verheiratet“, sagt Miguel. „Das war für uns beide einfach nur eine Affäre und eines Tages ist sie zu ihrem Mann zurückgegangen.“
„Und Maria da Luz?“, frage ich
„Mit Maria da Luz war´s toll”, sagt Miguel. „Aber du kennst die Maria da Luz, die wird sich nie binden. Das war uns beiden von Anfang an klar und wir hatten eine gute Zeit.“
„Und Mónica?“, frage ich.
„Mónica war meine große Liebe, meine Soulmate, wenn du so willst“, sagt Miguel. „Aber Mónica wollte Kinder und ich wollte keine. Ich wollte keine Kinder und ich will keine Kinder. Das ist einfach so.“
„Kein Kompromiss?“, frage ich. „Nicht mal für Mónica?“
„Was für ein Kompromiss?“, sagt Miguel Moreira. „Es gibt keine halben Kinder.“
Ich liege
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