Nachrichten aus Mittelerde
begrüßte sie mit Verwunderung und Freude, und sie sagte: »Ich habe dir den Zweig der Wiederkehr gebracht, Herr: von der Königin.« – »Von der Königin?«, fragte Aldarion in verändertem Ton. »Ja, Herr«, sagte sie, »doch ich habe sie um Erlaubnis dazu gebeten. Nicht nur deine Familie wird sich bei deiner Rückkehr freuen. Möge es bald sein.«
In diesem Augenblick sah Aldarion sie zum ersten Mal mit den Augen der Liebe an; und lange stand er am Achtersteven und blickte zurück, während die
Palarran
die hohe See gewann. Man sagt, dass er seine Rückkehr beschleunigte und kürzere Zeit fortblieb, als er geplant hatte. Als er zurückkam, brachte er für die Königin und die Hofdamen Geschenke mit, doch die wertvollste Gabe war für Erendis bestimmt: ein Diamant. Kühl war nun die Begrüßung zwischen dem König und seinem Sohn. Meneldur tadelte ihn und sagte, ein solches Geschenk sei unschicklich für den Nachfolger des Königs, außer es sei ein Verlobungsgeschenk,und er forderte, Aldarion möge erklären, was es damit auf sich habe.
»Als Dank habe ich es gebracht«, sagte Aldarion, »als Dank an ein warmes Herz inmitten der Kälte anderer.«
»Kalte Herzen entzünden keine anderen Herzen, ihnen bei ihrem Kommen und Gehen Wärme entgegenzubringen«, sagte Meneldur und drängte Aldarion erneut, an Heirat zu denken, wenn er auch nicht von Erendis sprach. Aber dieser wollte nichts davon hören, denn je mehr die, die um ihn waren, ihn bedrängten, desto ausdauernder und eindeutiger widersetzte er sich. Er begegnete Erendis nun mit größerer Kühle und beschloss, Númenor zu verlassen und seine Pläne in Vinyalonde weiterzuverfolgen. Das Leben an Land fiel ihm lästig, denn an Bord seines Schiffes musste er sich keinem anderen Willen unterordnen, und die Wagemutigen, die ihm folgten, kannten für den Großen Kapitän nur Liebe und Bewunderung. Doch jetzt verbot ihm Meneldur, fortzugehen; und bevor der Winter ganz vorüber war, stach Aldarion dem König zum Trotz mit einer Flotte von sieben Schiffen und dem größeren Teil der Wagemutigen in See. Die Königin wagte es nicht, den Zorn des Königs auf sich zu laden, aber in der Nacht kam eine vermummte Frau mit einem grünen Zweig zum Hafen, legte ihn in Aldarions Hände und sagte: »Dies kommt von der Herrin des Westlandes« (denn so nannte man Erendis), und ging fort in die Dunkelheit.
Angesichts der offenen Empörung Aldarions widerrief Meneldur Aldarions Machtbefugnis als Oberbefehlshaber der Schiffe und Häfen Númenors. Er veranlasste, dass das Gildenhaus der Wagemutigen auf der
Eambar
geschlossen wurde, die Werften von Rómenna stillgelegt wurden, und er verbot das Fällen jeglicher Bäume für den Schiffbau.
Fünf Jahre vergingen, dann kehrte Aldarion mit neun Schiffen zurück, denn zwei waren in Vinyalonde gebaut worden undsie waren mit dem vorzüglichsten Bauholz aus den Wäldern der Küsten Mittelerdes beladen. Aldarions Zorn war groß, als er entdeckte, was geschehen war, und er sagte zu seinem Vater: »Wenn ich in Númenor keine freundliche Aufnahme finde, keine Arbeit für meine Hände, und meine Schiffe in dessen Häfen nicht instand gesetzt werden dürfen, dann werde ich wieder fortsegeln, und zwar bald. Die Winde sind nämlich rauh gewesen 13 und die Schiffe müssen neu ausgerüstet werden. Hat nicht ein Königssohn anderes zu tun, als die Gesichter der Frauen zu mustern, um ein Weib zu finden? Ich habe mich in das Forstwesen vertieft, und inzwischen kenne ich mich darin aus. In Númenor wird es, bevor meine Zeit abläuft, mehr Bauholz geben als unter deinem Szepter.« Und getreu seinen Worten stach Aldarion im selben Jahr mit drei Schiffen und den erprobten Wagemutigen erneut in See, und er fuhr ohne
Segen
und Zweig; denn Meneldur belegte alle Frauen seines Hauses
und
die der Wagemutigen mit einem Bann und ließ Rómenna rundum bewachen.
Auf dieser Reise blieb Aldarion so lange fort, dass die Leute um ihn fürchteten, und selbst Meneldur war unruhig, ungeachtet der Gnade der Valar, die die Schiffe von Númenor immer beschützt hatte. 14 Als seit der Abreise zehn Jahre vergangen waren, verzweifelte Erendis schließlich und glaubte, dass Aldarion ein Unglück zugestoßen sei oder er sich entschlossen habe, in Mittelerde zu wohnen. Nicht zuletzt um den Freiern zu entkommen, bat sie die Königin, sie zu entlassen, verließ Armenelos und kehrte zu ihrer Sippe in das Westland zurück. Doch nach vier weiteren Jahren kam Aldarion schließlich
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