Nachrichten aus Mittelerde
Spott das vergoldete Bild eines Drachenkopfes; der Helm war nämlich bald nach jenem Tag geschmiedet worden, an dem Glaurung zum ersten Mal aus den Toren Morgoths hervorgekommen war. Hador und nach ihm Galdor hatten diesen Helm oft im Krieg getragen. Wenn die Streiter von Hithlum ihn hoch über dem Kampfgetümmel aufragen sahen, schlugen ihre Herzen höher, und sie riefen: »Höher steht der Drachen von Dor-lómin als der Gold-Wurm von Angband!«
Aber in Wahrheit war dieser Helm nicht für Sterbliche gemacht, sondern für Azaghâl, Fürst von Belegost, der von Glaurung im Jahr des Jammers getötet wurde. 4 Azaghâl gab ihn Maedhros zur Belohnung, weil dieser ihm das Leben und seinen Schatz gerettet hatte, als ihm Orks auf der Zwergenstraße in Ost-Beleriand auflauerten. 5 Maedhros gab ihn später als Geschenk an Fingon, mit dem er des Öfteren Zeichen der Freundschaft austauschte, zur Erinnerung an den Tag, an dem Fingon Glaurung nach Angband zurückgetrieben hatte. Doch in ganz Hithlum fanden sich außer Hador und seinem Sohn Galdor kein Kopf und keine Schulter, die kräftig genug waren, den Zwergenhelm mühelos zu tragen. Deshalb übergab Fingon ihn Hador, als dieser die Herrschaft in Dor-lómin übernahm. Das Unglück wollte es, dass Galdor den Helm bei der Verteidigung Eithel Sirions nicht trug, denn der Angriff erfolgte plötzlich, so dass er barhäuptig auf die Mauern rannte, wo ihm ein Ork-Pfeil das Auge durchbohrte. Húrin dagegen trug den Helm ungern und hätte ihn auf keinen Fall im Kampf benutzt, denn er sagte: »Ich ziehe es vor, meinen Feinden mit meinem wahrenGesicht gegenüberzutreten.« Gleichwohl zählte er den Helm zu den bedeutsamsten Erbstücken seines Hauses.
Es verhielt sich nun so, dass Thingol in Menegroth über wohlbestückte Waffenkammern verfügte, angefüllt mit einer Vielzahl von Waffen: Metalle, geschmiedet wie die Panzer von Fischen und schimmernd wie Wasser im Mondlicht, Schwerter, Äxte, Schilde, Helme, angefertigt von Telchar selbst oder von seinem Lehrmeister Gamil Zirak, dem Alten, oder von Elbenschmieden, deren Arbeiten noch kunstreicher waren. Einige Stücke hatte er als Geschenke erhalten, sie stammten aus Valinor und waren der Meisterhand Feanors zu verdanken, den in allen Zeitaltern kein Kunstschmied übertraf. Aber Thingol erwies dem Helm Hadors eine solche Ehre, als seien seine eigenen Waffenkammern armselig, und bedachte ihn mit liebenswürdigen Worten: »Stolz wäre das Haupt, das diesen Helm tragen dürfte, den die Vorfahren Húrins trugen.«
Dann kam ihm ein Gedanke, er berief Túrin zu sich und erzählte ihm, dass Morwen ihrem Sohn eine prächtige Gabe habe zukommen lassen, nämlich das Erbstück seiner Vorväter. »Nimm den Drachenhelm des Nordens«, sagte er, »und wenn die Zeit kommt, so trage ihn in Ehren.« Doch Túrin war noch zu jung, um den Helm hochzuheben, und er beachtete ihn nicht, weil tiefer Kummer sein Herz erfüllte.
Túrin in Doriath
In den Jahren seiner Kindheit im Königreich Doriath stand Túrin unter der Obhut Melians, obwohl er sie selten zu Gesicht bekam. Doch ein Mädchen namens Nellas, das in den Wäldern lebte, folgte ihm auf Melians Geheiß, wenn er im Wald umherstreifte, und oft traf sie dort wie zufällig mit ihm zusammen. Von Nellas lernte er viel über die Eigenart des wilden Landes,und sie lehrte ihn Sindarin, wie es im alten Reich gesprochen wurde, urtümlicher, liebenswürdiger und reicher an prächtigen Wörtern. 6 Auf diese Weise hellte sich seine Stimmung für eine Weile auf, bis sie sich wieder verdüsterte und diese Freundschaft vorüberging wie ein Frühlingsmorgen. Nellas nämlich mied Menegroth und weigerte sich, jemals unter steinernen Dächern entlangzugehen. Als sich also seine Knabenzeit ihrem Ende näherte und seine Gedanken sich auf männliche Taten richteten, sah er sie immer seltener, und zum Schluss fragte er nicht mehr nach ihr. Doch wachte sie noch immer über ihn, wenn sie jetzt auch im Verborgenen blieb. 7
Neun Jahre lebte Túrin in den Hallen Menegroths. Sein Sinnen und Trachten galt immer seiner Familie, und von Zeit zu Zeit erhielt er zu seinem Trost Nachrichten von daheim. Denn Thingol sandte, so oft er konnte, Boten zu Morwen, und sie wiederum ließ ihrem Sohn auf diesem Wege Nachrichten zukommen. So erfuhr er, dass seine Schwester Nienor zu einem schönen Mädchen heranwuchs, einer Blume im grauen Norden, und dass Morwens Lage sich gebessert hatte. Túrin wuchs kräftig, bis er die Menschen an
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