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Nachruf auf eine Rose

Titel: Nachruf auf eine Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Fenwick
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die Blut gerochen hatte. Ich holte ein Sandwich heraus, und ich sage Ihnen, das Kind fing wie ein Hund an zu sabbern.
    ‹Was ist los bei euch, Sally?›, fragte ich und brach ein Stück von meiner Stulle ab und – Gott möge mir vergeben – tat so, als wollte ich es in den Mund stecken. Ich hätte ihr so gern alles Essbare, was ich dabeihatte, in die Hand gedrückt, aber ich musste sie schließlich zum Reden bringen. Doch da war nichts zu machen, ich habe kein Wort aus ihr herausbekommen, und am Ende habe ich ihr das Sandwich einfach gegeben. Die ersten paar Bissen hat sie fast ohne zu kauen verschlungen, doch den Rest steckte sie in ihre Rocktasche. Dann gab ich ihr den Schokoriegel, den sie dann bis auf ein Drittel verdrückt hat.
    Ich habe noch einmal versucht, sie zum Reden zu bringen, doch die ganze Zeit über schaute sie nur ängstlich zum Haus hinüber und ab und zu hoch zum Dach. Ich folgte ihrem Blick, konnte jedoch nichts entdecken, nur eine Fensterzeile ohne Gardinen, an einem Fenster war das Glas zerbrochen, und man hatte es mit Brettern vernagelt. Ich dachte mir nichts dabei. Ich ging dann wieder zurück ins Haus, und gerade als wir gehen wollten, hörten wir von oben ein Geräusch. Wie ein geölter Blitz bin ich die Treppe hochgeschossen, dicht hinter mir Frank Bates, der versucht hat, mich am Fuß zu packen, doch Joe, mein Partner, hat sich um ihn gekümmert. Eileen schrie wie am Spieß und schlug immer wieder auf Joe ein. Oben im Flur riss ich eine Tür nach der anderen auf, bis ich im hinteren Teil des Hauses auf eine verschlossene Tür stieß, die ich dann mit der Schulter aufzubrechen versuchte. Doch da war Bates schon wieder hinter mir und brüllte: ‹Das können Sie nicht machen, dazu haben Sie kein Recht! Das ist mein Haus!›. Er drosch auf mich ein, doch dann kam Joe und hielt ihn fest, und schließlich gab das Schloss nach und wir konnten hinein.»
    George verstummte abrupt, er atmete tief durch, schloss für einen Moment die Augen, als verspürte er einen furchtbaren Schmerz.
    «Manche Erinnerungen sind wie eingebrannt, man vergisst sie niemals. Der Gestank, der mir entgegenschlug, war atemberaubend. Gott, wie furchtbar! Immer, wenn ich ein Baby in seinen Windeln sehe, muss ich daran denken. Es war so dunkel, dass ich zuerst nichts erkennen konnte. Bis mein Blick auf etwas fiel, das ich zunächst für ein Kleiderbündel hielt. Doch dann erkannte ich, dass es ein Kind war. Bis Sally hereinwankte und Billy die Schokolade hinstreckte, die sie für ihn aufgehoben hatte. Er lag auf einer dreckstarrenden Kindermatratze auf dem Fußboden. Sie ging an uns vorbei, die Ruhe selbst, und kniete sich neben ihm nieder.»
    George hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten.
    «‹Hier, Billy›, sagte sie freudestrahlend und steckte ihm die Schokolade in den Mund. Doch das Kind war zu schwach, um sie zu essen. Sally blickte zu mir auf und sagte: ‹Billy hat keinen Hunger›, und aß die Schokolade selbst auf.»
    Er konnte nicht mehr weitererzählen. Nightingale starrte ihn an. Ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet.
    «War er tot?»
    George Wicklows Worte waren nur mehr ein Flüstern. «Nein, noch nicht. Er starb ein paar Tage darauf. Sarah, den Säugling, haben wir in einer Babytragetasche gefunden. Es war mehr als deutlich zu erkennen, dass sie tot war.
    Sally kam in ein Heim, später dann in Pflege. Ich glaube, das Haus wurde abgerissen. Frank und Eileen Bates wurden des besonders grausamen Mordes beschuldigt und vor Gericht gestellt. Er wurde in allen Punkten der Anklage schuldig gesprochen; Eileen wurde zu zwei Jahren Freiheitsentzug verurteilt, doch sie starb noch während der Haft. Bates lebt immer noch. Lebenslang bedeutet in seinem Fall auch lebenslang. Er wird dort verrotten.» Der tiefe Hass, der aus Sergeant Wicklows Stimme sprach, ließ Nightingale erschauern.
    «Aber warum haben sie das getan?»
    George schüttelte den Kopf. «Wer weiß das schon! Als Sarah auf die Welt kam, hat Frank einfach entschieden, dass sie sich drei Kinder nicht würden leisten können. Und so hat er ihnen einfach nichts mehr zu essen gegeben. Eine Weile lang hat Eileen das Baby gestillt, und sie oder Sally steckten Billy immer wieder heimlich ein paar Happen zu. Doch irgendwann hat Bates die beiden Kleinen einfach eingeschlossen und den Schlüssel eingesteckt.»
    George schüttelte sich. Ganz offensichtlich brauchte er seine ganze Kraft, um sich zusammenzureißen.
    «Doch wenigstens hat die kleine Sally überlebt,

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