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Nachruf auf eine Rose

Titel: Nachruf auf eine Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Fenwick
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klangen vage, unsicher, die hohen piepsig und schrill, wenn Bess vor lauter Nervosität zu stark hineinblies. Manche Noten kamen nur wie ein schwacher Hauch, und man hörte sie kaum. Nie kam sie über den Anfang des Liedes hinaus, doch die paar Töne reichten aus, dass er zutiefst gerührt war.
    «Hast du gehört, Papa? Hast du gehört? Richtige Musik!»
    «Das war toll, mein Liebes, richtig gut. Am besten, du übst jetzt noch ein bisschen.»
    Kurz darauf legte er den Hörer auf und starrte an die Wand. Noch zweieinhalb Stunden, dann waren vierundzwanzig Stunden seit Auffinden der Leiche vergangen. Einem Impuls folgend beschloss er, zu Detective Sergeant Gould und seinem Team in Burgess Hill zu stoßen.

24B 18
    Nightingale stieg in das duftende, heiße Wasser, lehnte sich zurück, im Nacken ein zusammengerolltes Handtuch. Sie würde so lange in der Wanne bleiben, bis sie sich wieder sauber fühlte, stellte sich vor, wie das Badeöl in jede Pore drang und sie den Schmutz und die Armut, die sich wie ein Film auf ihre Haut gelegt hatten, einfach wegwischen konnte. Doch es war vergebens: Ihr Unbehagen wollte nicht weichen. Sie fühlte sich von innen her verschmutzt, hatte den Geruch der Straße noch in der Nase, spürte ihn in ihrer Kehle, und das Gefühl von schmierigem Staub auf ihrer Haut wollte einfach nicht verschwinden.
    Sie hatte einen scheußlichen Tag hinter sich. Bei Einbruch der Dämmerung waren sie und ihr Partner in den Bus gestiegen, der sie zur Endstation bringen sollte. Dort hatten sie sich getrennt und ausgemacht, sich jeweils zur vollen Stunde zu treffen, sofern nichts Wichtiges dazwischenkam. Nightingale war schließlich in einem schäbigen Viertel gelandet, dessen einzige Abwechslung die Mädchen waren, die, an Straßenlaternen gelehnt oder in Hauseingängen und an Straßenecken stehend, auf potentielle Kunden warteten. Vergeblich hatte sie sich bemüht, unauffällig zu wirken, doch in dieser Umgebung fiel sie auf wie ein bunter Hund. Ihre gepflegte Erscheinung stand in krassem Widerspruch zu den Gestalten, die die Straßen bevölkerten. Sogar die jüngsten unter ihnen, sie mochten höchstens dreizehn gewesen sein, sahen verlebt und verbraucht aus.
    Sie hatten es ihr nicht leicht gemacht, hatten sie angespuckt, ihr unflätige Ausdrücke an den Kopf geschleudert und sie sogar, ganz ‹aus Versehen›, gegen einen Betonpfosten gestoßen. Nach sechs langen Stunden hatte sie niemanden gefunden, der zugegeben hätte, eine der beiden ermordeten Frauen auch nur gekannt zu haben. Ihrem Kollegen war es nicht besser ergangen.
    Trotz des heißen Bads gelang es ihr erst nach einer Weile, all die Gedanken zu vertreiben und zur Ruhe zu kommen. Irgendwann schlief sie ein, und als um acht Uhr der Wecker klingelte, fühlte sie sich sogar erholt. Es war ein sonniger, frischer Morgen, und sie machte sich auf, um in dem kleinen Park gegenüber ihrer Wohnung joggen zu gehen. An guten Tagen brauchte sie für eine Runde gewöhnlich fünfeinhalb Minuten, und heute lief sie die Strecke fünf Mal, um ihren Kreislauf richtig in Schwung zu bringen. Frisch geduscht und hellwach erreichte sie etwas vor halb zehn die Dienststelle.
    Sie war gerade mit ihrem deprimierend kurzen Bericht fertig, als Pink das Büro betrat, dicht gefolgt von zwei anderen Detective Constables. Jeder hielt eine dicke Tüte in der Hand, und es roch nach geräuchertem Schinken. Auf einmal merkte sie, wie hungrig sie war. Letzte Nacht war sie so erschöpft gewesen, dass sie nur noch zwei Glas Wein und ein paar Grissini zu sich genommen hatte. Ein Schinken-Sandwich wäre jetzt genau das Richtige, um ihren Hunger zu stillen. Es war Viertel vor zehn, also hatte sie genug Zeit, um vor der Besprechung noch rasch in die Kantine zu gehen.
    «Morgen!», rief sie den anderen im Vorbeigehen zu.
    «Wo wollen Sie hin?», fragte Pink misstrauisch.
    «Zur Kantine. Frühstücken.»
    «In einer Viertelstunde ist Besprechung. Seien Sie pünktlich.»
    Ohne sich noch einmal umzudrehen, setzte sie ihren Weg nach unten fort. Die Schlange vor der Theke ging bis hinaus auf den Gang. Sie stellte sich hinten an und sah auf die Uhr. Nach zehn Minuten hatte sie ihr Sandwich, doch da sie wusste, dass der Lift ewig brauchte, wollte sie lieber zu Fuß gehen. Sie sprang die Stufen hoch, immer zwei auf einmal, und schaffte es, genau eine Minute vor Beginn der Besprechung zurück zu sein. Sie öffnete die Tür, als die anderen aufbrachen.
    «Besprechungszimmer zwei.» Pink schien noch

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