Nachruf auf eine Rose
bist’s. Du hast mich erschreckt. Brennt das Feuer überall?»
Sie wandte sich wieder den Blumen vor ihr zu.
«Gut, dass du da bist», sagte sie. «Ich habe die Sicherheitskette an meiner Uhr nicht zubekommen. Kannst du mir helfen?»
«Die ist wunderschön. Wo hast du sie her?» Bewundernd betrachtete Alexander die elegante, mit Diamanten besetzte Golduhr und das pinkfarbene Band aus Krokodilleder.
«Die habe ich letztes Jahr von deinem Onkel zu Weihnachten bekommen. Eine Patek Philippe. Das war sehr lieb von ihm.»
Das goldene Sicherheitskettchen baumelte von ihrem schmalen Handgelenk. Er zog das Armband enger und versuchte die Kette zu schließen. Plötzlich rutschte er ab und rammte sich die spitze Schließe unter den Daumennagel.
«Aua! Das verdammte Ding ist scharf!»
«Pass auf, du blutest! Tropf nicht auf meinen Ärmel. Hier, lass Wasser drüber laufen.»
Alexander spülte das Blut ab und zog vorsichtig den goldenen Stachel aus dem Nagelbett.
«Die Kette ist kaputt.»
«Ist nicht so schlimm. Wolltest du etwas von mir?»
«Jenny hat angerufen und nach Graham gefragt. Sie dachte, er sei bereits hier. Hat er dir gegenüber erwähnt, dass er früher kommen wollte?»
«Nein, davon weiß ich nichts.»
«Das habe ich ihr auch gesagt. Sie klang ziemlich besorgt.»
«Ach, du kennst doch Graham. Er macht, was er will. Wahrscheinlich hat er irgendwo eine andere Jenny aufgegabelt und macht sich mit ihr einen netten Tag.»
Irene huschte ins Zimmer und schob ihr ausladendes Becken hinter Alexander vorbei. Grob drückte Sally ihr die Vase in die Hand.
«Hier, nehmen Sie die! Passen Sie doch auf, Sie Tölpel! Jetzt schauen Sie sich an, was Sie gemacht haben!»
Ein kleiner See breitete sich auf dem Fliesenboden aus. Alexander nahm einen Lappen und begann das Wasser aufzuwischen, während Irene, die Blumen im Arm, auf Zehenspitzen davonschlich.
«Die muss hier weg», zischte Sally.
«Aber Sal, das hat sie doch nicht mit Absicht gemacht, war doch auch nicht schlimm.»
«Nicht deshalb, du Idiot! Sie ist schon wieder schwanger, das sieht doch jeder. Und sie ist erst neunzehn.»
Alexander wrang den Lappen über dem Spülbecken aus, während Sally vorsichtig die Schürze abnahm. Eines der Mädchen würde morgen hier sauber machen. Sie hatten nun anderes zu tun. Um sieben Uhr würden die Gäste kommen. Sally eilte in die Küche, und Alexander machte sich, nachdem er Jenny am Telefon beruhigt hatte, auf zum Musikzimmer, um vorher noch ein bisschen Ruhe zu finden.
Im Musikzimmer war es kalt. Er schaltete das Licht an, und draußen vor dem Fenster wurde es noch eine Idee dunkler. Der Nebel hatte sich verdichtet und umgab das Haus wie eine undurchdringliche Mauer. Der Rasen vor dem Haus lag in ein weißliches Licht getaucht.
Er klappte den schweren Deckel des Steinway-Flügels hoch und begann zu spielen. Leicht und scheinbar mühelos glitten seine Finger über die Tasten, als er Chopins Nocturne in es-Moll spielte. Er schloss die Augen und spürte, wie der beständige Rhythmus durch seinen Körper floss. Es war nur ein kurzes Stück, doch es lenkte ihn von seinen Gedanken um Sally ab. Seine Frau hatte etwas an sich, was die Leute verängstigte, und das beunruhigte ihn.
«Hier bist du, Alex! Nun komm, unsere Gäste sind da. Der Butler hilft ihnen gerade beim Ablegen. Beeil dich!»
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte das zuvor munter flackernde Feuer im Salon sich auf ein paar angekokelte Holzscheite reduziert, die nur noch müde vor sich hin glommen, dafür aber stark zu qualmen begonnen hatten. Sally warf Alex einen finsteren Blick zu. Es war einfach unverzeihlich, dass er ihr ihren großen Auftritt verdarb! Alles andere war perfekt.
Der Butler nahm den Blasebalg und pumpte Luft in den Rauch. Nach ein paar Sekunden züngelten die ersten Flämmchen, und das Feuer loderte auf. Sally zeigte ihren Gästen die Veränderungen, die sie im Salon vorgenommen hatte. Die eifersüchtigen und irritierten Blicke schien sie dabei nicht zu bemerken. Oder nicht bemerken zu wollen. Nach einer Weile machte Lucy sich von ihren Eltern los, nahm sich im Vorübergehen ein Glas Champagner und trat zu Alexander an den Kamin.
«Alex, ich muss dich um einen Gefallen bitten! Mein Freund hat heute Geburtstag, und wir hatten eigentlich vorgehabt, zusammen zu feiern, aber dann kam eure Einladung. Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, aber …»
«Warum hast du nicht angerufen? Wir hätten leicht noch einen Teller mehr aufdecken
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