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NachSchlag

NachSchlag

Titel: NachSchlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
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diese Stellen kam noch nicht einmal Licht.
    Lea wies ihn zurück.
    Einfach so, mit solch eindeutigen Worten, dass er, bis ins Innerste getroffen und weiß vor namenloser Wut, keinen einzigen Versuch mehr machte, sie umzustimmen, sie zurückzugewinnen.
    Armand fing bald darauf eine seichte normale Liebelei mit einer Rechtsanwaltsgehilfin an; die simple Schwärmerei dieses Mädchens, ihre unkomplizierte Verliebtheit in ihn, war Balsam für seine verletzte Seele.
    Die Wut blieb trotzdem in ihm, wusste nicht wohin, zog sich an einen dunklen Ort zurück, um dort auf der Lauer zu liegen und zu warten, bis sie abgekühlt genossen werden konnte.
    Frisch aufbereitet, zu einem besonderen Anlass. Ja, Armand wartete. Diese Kunst beherrschte er gut.
    Vor ziemlich genau zwei Jahren war das gewesen.

    Er sagte ihr, was er jetzt in ihren Augen las.
    Lea nickte.
    »Ich habe auch damals HILF MIR zu dir gesagt«, erklärte sie heiser, mühsam. »Aber ich konnte … es … nicht so sagen, dass du es verstehst und du … warst noch nicht bereit es zu begreifen.«
    Für einen winzigen Moment war die Verhörsituation aufgehoben, sie begegneten sich als Freunde.
    Armand spürte, dass sie jetzt sogar das Wasser zu sich genommen hätte. Er musterte sie. Ja, sie fühlte ihren Durst und wollte ihn stillen. Während seiner blitzartig vorüberzuckenden Erinnerung hatte sich jene Wut in ihm entrollt wie eine erwachende Schlange – und sie zischte nun.
    Bittend waren die türkisfarbenen Augen der Gefangenen auf das Glas Wasser gerichtet, das er immer noch in seiner Hand hielt.
    Er hob es quälend langsam und … leerte es selbst. So wie schon einmal trank er vor ihren Augen, beobachtete sie dabei unablässig und mit sehr großem Genuss.
    Sie blieb jedoch viel ruhiger als er es erwartet hätte.
    So wie er in den ihren, hatte Lea jetzt in seinen Augen gelesen, hatte das zornig fauchende TIER der Wut darin gesehen und – sie verstand.
    Ich habe dich damals sehr schlecht behandelt, Armand
, dachte sie.
Habe so getan, als hätte ich dich satt, so, als wäre das Ganze ohne Bedeutung gewesen. Ich habe mir eingeredet, ich sei stark, als ich mich deiner Dominanz entzog, aber in Wirklichkeit … war ich schwach. Ich war fremdgesteuert. Ich stand unter IHRER Fuchtel. Heute weiß ich das
.
    Sie hätte beinahe gelächelt, aber das grausame Feuer des Durstes, das nun wieder in ihrer Kehle, in ihrem ganzen Sein aufflammte, verhinderte das. Sie litt sehr. Fürchtete, ihre Lippen würden reißen, wenn sie sie zu einem Lächeln verzog.
    Als Armand ihr ein Angebot machte, nickte sie heftig.
    »Ich gebe dir erst dann zu trinken, wenn du mir wahrheitsgemäß erzählt hast, was sich kurz vor Herrn Rizzis Tod abspielte. Die ganze Geschichte. Bist du damit einverstanden?«

III.
    Mit krächzender Stimme begann Lea zu erzählen. In abgehackten, scharfkantigen Sätzen.
    »Nachdem ich mich von dir getrennt hatte, Armand, redete ich mir zunächst ein, alles sei großartig. Und rauschte prompt in eine Totaldepression. Auf einmal glaubte ich, mein Leben sei vorbei. Aber ich wusste lange Zeit überhaupt nicht, wieso. Hatte nur manchmal eine dumpfe Ahnung. Wenn mir vorübergehend dämmerte, dass meine einzigen menschlichen Kontakte zu der Zeit aus älteren Frauen bestanden. Ansonsten jobbte ich bloß als Bürokraft, ich war wie eine leere Hülle, funktionierte wie ein Roboter. Sogar beim Theater hatte ich fast ganz aufgehört, mir fiel kaum noch was ein, es fehlte so vieles … zum Beispiel die Spuren von deiner Reitpeitsche … die waren so inspirierend gewesen, so …« Für Sekunden schimmerten Leas Augen intensiv, doch sie schluckte die aufsteigenden Tränen wieder herunter. »Aber sobald mir sowas dämmerte, zog ich mir schnell ’nen Joint rein, während ich neben meiner Mutter auf dem Sofa saß und in die Glotze glotzte, und meine Mutter hatte ihr Valium intus und lächelte mechanisch, und dann wehten die unangenehmen Gedanken einfach durch mich durch und trieben mit dem süßlichen Rauch davon. – So war mein Leben: einsam, süchtig, kaputt. Bis ich endlich wieder einen Mann kennen lernte, Yonathan. Das war … nicht lange vor Herrn Rizzis Tod. Anders als du besaß er eine eher sanfte Dominanz. Er hatte einen klaren Blick. Er interessierte sich für mich, stellte Fragen, erforschte mich. ›Weshalb rauchst du dieses Zeug, Lea?‹, fragte er zum Beispiel. ›Du brauchst das doch gar nicht.‹ Seine Worte berührten mich. Sucht war nie Thema gewesen bei uns; erst

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