Nachsuche
bei mir. Sie war noch jung. Aber theoretisch wäre es möglich. Dann liegt es bei einem Kollegen oder in einer Bank.«
»Warum sollte sie zu einem anderen Notar gehen?«, erkundigt sich Noldi.
»Haben nicht Sie die Familie Walter in allen Belangen vertreten? Soviel ich gehört habe, waren Sie auch mit dem Verkauf des Hauses in Brütten beauftragt.«
»Das ist korrekt. Die Verhandlungen mit Berti Walter verliefen immer in sehr angenehmer, entspannter Atmosphäre. Sie hat mir ihr volles Vertrauen geschenkt. Und ich darf sagen, es ist mir auch gelungen, die Angelegenheit zu einem besonders erfolgreichen Abschluss zu bringen. Unter uns«, Kläui beugt sich vor, »ich hätte nie gedacht, dass man für dieses Grundstück einen derart hohen Preis erzielen könnte. Aber der Käufer hat von sich aus das Angebot gemacht. Wenn Sie mich fragen, war das ein Spekulant. Er wollte dort bauen, drei Blöcke mit Eigentumswohnungen. Nach dem Kauf sah es so aus, als hätte er sich übernommen. Der Baubeginn wurde immer wieder hinausgeschoben. Ich habe mich informiert. Seine Firma besaß nicht viel Eigenkapital. Gerade einmal hunderttausend Franken. Aber den Kaufpreis bezahlte er anstandslos. Berti und ich haben uns oft genug gefragt, ob es wirklich klappen würde. Doch da gab es keinen Tag Verzug.«
»Wer profitiert eigentlich von Bertis Tod?«, will Noldi wissen. »Hat sie Verwandte?«
»Soviel ich weiß, nicht«, sagt Kläui und runzelt die Stirn. »Da wurde nie irgendjemand erwähnt.«
»Und ihre Mutter?«
»Das war ein Tabu. Über sie wurde im Hause Walter nicht gesprochen.«
»Und Sie haben nie Nachforschungen angestellt?«, erkundigt sich Noldi, dem die Formulierung, ›Berti und ich‹ nicht entgangen ist.
Kläui ist zu gewieft, sich etwas anmerken zu lassen.
»Musste ich fast«, gab er zu. »Ich war Testamentsvollstrecker von Eugen Walter. Das wissen Sie, nehme ich an.«
Noldi nickt. Er weiß nicht nur das, er weiß auch, dass Kläui verheiratet ist und mit seiner Frau zwei erwachsene Kinder hat.
»Und, was haben Sie herausgefunden?«, erkundigt er sich interessiert.
»So gut wie nichts. Eugen Walter hatte ein Ingenieurbüro in Stuttgart und dieses war an der Entwicklung von Lasergeräten beteiligt. Berti wuchs bei den Großeltern auf und führte später die Buchhaltung im Betrieb ihres Vaters. Nachdem er krankheitshalber aufgeben musste und in die Schweiz zog, arbeitete sie als Lohnbuchhalterin in einer anderen Firma. Erst als es ihm so schlecht ging, dass er nicht mehr allein leben konnte, kam sie, um ihn zu pflegen. Über ihre Mutter hat sie nie gesprochen. Wenn ich sie fragte, zuckte sie nur mit den Achseln und sagte: »Keine Ahnung«. Damit war das Thema erledigt. In Bertis Geburtsurkunde ist der Name der Mutter als Elena Walter angegeben. Sie war aber nicht mit Eugen Walter verheiratet. Möglicherweise handelte es sich um eine entfernte Verwandte oder eine Namensgleichheit. Das Einzige, was mir aufgefallen ist, vier Tage nach Bertis Geburt entließ ihre Großmutter das Dienstmädchen. Möglich, dass Eugen Walter diese Frau geschwängert hat. Ich konnte sie allerdings nicht ausfindig machen. Sie war weder angemeldet noch versichert. Die Walters hatten sie illegal beschäftigt. Mit mehr kann ich leider nicht dienen. Schon das Wenige herauszufinden war schwierig. Bertis Großeltern haben dafür gesorgt, jede Verbindung zur Mutter des Kindes zu vertuschen. Und zu allem Übel vernichtete Berti unmittelbar nach dem Tod ihres Vaters in einem Anfall von Raserei alles, was sie an ihn und ihr Leben mit ihm erinnert hat. Ich nehme an, es war eine Art Befreiungsschlag.«
»Sie hatten ein Verhältnis mit ihr«, sagt Noldi aus heiterem Himmel.
Der Notar ist nicht so überrascht, wie erhofft, leugnet aber auch nicht.
»Ja«, sagt er nur.
»Bis zu ihrem Tod?«
»Nein.«
»Wie lange?«
»Nachdem ihr Vater gestorben war, wollte Berti Sicherheit. Sie verlangte, dass ich mich scheiden ließe. Dazu konnte ich mich nicht entschließen. Ich wollte meine Frau nicht verlassen. Sie war immer anständig zu mir, und wir verstehen uns gut. Außerdem haben wir zwei Kinder, das verbindet. Mit Berti war es viel schwieriger. Sie hatte durchaus Charme, war aber völlig unberechenbar. Ein falsches Wort, und der Teufel war los. Dazu hatte sie ein ungeheures Anlehnungsbedürfnis. Auch das kann zur Last werden. Ich hatte nach dem Hausverkauf schon eine Wohnung in Winterthur für sie besorgt, doch sie machte mit mir Schluss und zog nach
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