Nachsuche
könnte er fragen? Den Niederöst, da er den Kläui in Gottes Namen nicht mehr fragen kann. Er hat das dumme Gefühl, sich im Kreis zu drehen. Dann gibt er sich einen Ruck. Besser, denkt er, er klärt zuerst, wo jeder auf seiner Liste war, als Berti starb.
Am nächsten Morgen geht er vor der Teamsitzung zu seinem Chef ins Büro.
»Hast du schon einen Verdächtigen?«, fragt Beer, als Noldi ihm gegenübersitzt.
»Verschiedene«, antwortet Noldi.
Er berichtet, wie weit seine Ermittlungen bis jetzt gediehen sind, von Niederöst, der die Tote identifiziert hat, von Ilse Biber und ihrem Verhältnis mit Rüdisühli, vom Notar, der am Tag, nachdem er bei ihm war, mit seinem Auto in eine Mauer gefahren ist und seither im Wachkoma liegt.
»Und? Könnte es nicht er sein, der sie umgebracht hat?«
»Möglich«, antwortet Noldi ohne große Begeisterung, »den kann ich aber nicht mehr fragen. Die Ärzte meinen, der wird nicht wieder, auch wenn er aufwacht.«
»Sauerei«, sagt Beer.
»Aber das Verrückteste ist«, fährt Noldi fort, »an seinem Auto soll eventuell gebastelt worden sein. Wenn das stimmt, handelt es sich nicht um einen Selbstmordversuch und damit auch nicht um ein Schuldeingeständnis. Er hatte ein Verhältnis mit Berti, doch sie hat Schluss gemacht, weil er sich nicht von seiner Frau trennen wollte. Die sitzt jetzt dauernd an seinem Krankenbett und weint und sagt, sie seien nach seiner Affäre frisch verliebt gewesen. Auf der anderen Seite sieht es so aus, dass Berti mit ihm noch telefoniert hat, obwohl es aus war. Könnte auch sein, dass sie ihn am Tag ihres Todes noch in Weesen getroffen hat. Dafür gibt es möglicherweise eine Zeugin. Ich muss das erst abklären. Dazu brauche ich ein Foto von Kläui. Wird nicht ganz einfach sein, eines zu beschaffen. Seine Frau ist in diesem Punkt sehr empfindlich. Ich will sie nicht unnötig aufregen. Sie hat es schwer genug. Stell dir vor, da sitzt sie Tag für Tag neben seinem Bett. Er hält die Augen offen und reagiert auf nichts. Aber er hustet und räuspert sich. Es ist fast zum Fürchten.«
Beer seufzt. »Ich verstehe. Vielleicht kriegst du eines im Notariat.«
»Vielleicht«, sagt Noldi.
Dann schweigen sie beide.
Schließlich fragt Beer: »Und sonst? Gibt es noch andere Verdächtige?«
»Kommt ganz darauf an«, antwortet Noldi. »Schau, mein Problem ist, dass ich bis heute so vieles nicht weiß, zum Beispiel, existiert ein Testament und wer profitiert von ihrem Tod. Wir können nicht einmal ausschließen, dass es Verwandte gibt, die als Erben infrage kommen. Der Notar wusste nicht, was mit ihrer Mutter ist. Oder er wollte es mir nicht sagen. Jedenfalls ist nicht er der Testamentsvollstrecker. Und je nach dem, um welches Motiv es sich handelt, kann ich dir den einen oder anderen Verdächtigen präsentieren. Vielleicht sind aber auch Personen im Spiel, von denen wir noch gar nichts ahnen. Du kennst die Winterthurer. Die haben alle so ihre Geheimnisse. Aber ob das als Verdachtsmoment ausreicht? Wenn du mich fragst, geht es in Winterthur eher ums Geschäft als um Leidenschaft. Das regelt man mit Geld und nicht mit Mord.«
Beer lacht. Dann wird er wieder ernst. »Wenn es sich überhaupt um einen Mord handelt«, sagt er.
»Genau«, sagt Noldi. »Wäre sie nicht im Neubrunnertal gefunden worden, nackt im Wald, hätte man annehmen können, es handle sich um ein Versehen oder Selbstmord. Aber so?«
»Und wenn es Selbstmord war und jemand wollte sie nach ihrem Tod verschwinden lassen?«
Noldi sieht es Beer an, dass er selbst nicht recht glaubt, was er sagt.
»Nur, warum ausgerechnet im Neubrunner Wald?«, fragt er zurück. »Wenn du mir da eine Antwort hast.«
Beer überlegt. »Weil derjenige sich dort auskennt, weiß, wo es einen geeigneten Platz gibt.«
»Und einen Traktor, mit dem man sie befördern kann«, ergänzt Noldi. »Und wir haben zwei, die sich mit Traktoren auskennen, Rüdisühli als Landwirtschaftsmaschinenvertreter und der Automechaniker Pfähler. Aber, Chef«, sagt er, »da ist noch etwas. Sie hat in Weesen gewohnt. Die Leute, die ich bisher ausfindig gemacht habe, leben in Winterthur, Zürich, Wil, in Sirnach. Kannst du dir vorstellen, dass sie einer, der sie in Weesen tot auffindet, umbringt oder wie auch immer, extra in seine Nähe schleppt, um sie verschwinden zu lassen? Warum, wenn man sie unbedingt beseitigen will, sie nicht einfach in den Walensee werfen? Wo sie direkt am Ufer wohnt. War sie vielleicht doch im Neubrunnertal bei jemand
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