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Nacht der Begierde (Geraldine Guthrie) (German Edition)

Nacht der Begierde (Geraldine Guthrie) (German Edition)

Titel: Nacht der Begierde (Geraldine Guthrie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Fizek
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hatte aber keine Zeit zu überlegen. Schon einen Augenblick später hatte sie wieder Luft um sich. Dafür rauschte es um sie, als stünde sie unter einem Wasserfall.
    Erstaunt riss sie die Augen auf. Sie war in einer Luftblase mitten im Fluss und wenn sie die Umgebung durch das hin- und herwogende Wasser richtig deutete, bewegten sie sich rasch flussabwärts. Allerdings war Urbano verschwunden, obwohl Geraldine ahnte, dass er noch bei ihr war.
    Der Sturz von der Brücke bis zu dem Moment, in dem sich Geraldine in der Blase eingeschlossen fand, hatte nur einen Wimperschlag gebraucht. Sie war vollkommen schockiert. Als sie sich jedoch an diese neue, ungewöhnliche Umgebung gewöhnt hatte, machte sie es sich auf dem Wasser, auf dem sie saß, bequem und versuchte, den Weg zu verfolgen, den sie nahmen. An dieser Stelle des Ochlockonee war das noch einfach. Später jedoch würde er in ein Sumpfgebiet und dann in einen stark bewachsenen See, den Lake Talquin, übergehen. Zehn Minuten später tauchten sie aus dem Fluss auf, auch, weil sich das Bett so verbreitert hatte, dass sie unter Wasser keinen Platz gehabt hätten. Die rauschende Wasserhülle öffnete sich. Feuchte Morgenluft streifte über Geraldines Gesicht. Sie durchquerten ein stark baumbestandenes Gewirr aus Wasserarmen. Reiher stiegen mit Warnrufen in die Luft. Ihre weißen Körper glänzten vor dem heller werdenden sonntäglichen Blau.
    Das Wasser, das Geraldine trug, war jetzt nur noch eine seichte Welle. Trotzdem kamen sie mit einer guten Geschwindigkeit voran. Sie durchquerten den sumpfigen Abschnitt des Flusses in kaum einer Minute und erreichten die freieren Wasserflächen des Lake Talquin. Dieser See lag östlich von Tallahassee. Die meisten Uferabschnitte gehörten zu dem angrenzenden Wildreservat. Es gab aber auch Abschnitte, an denen Häuser standen.
    Kaum hatten sie den See erreicht, versank Geraldine wieder unter die Oberfläche und erneut hüllte sie ein Chaos aus winzigen Wellen in eine Luftblase ein. Um sie herum verlor das Wasser jeglichen Anhaltspunkt. Es war tiefdunkel. Selbst das Licht, das von oben herabfiel, bot keine Orientierung. Einmal glaubte Geraldine, einen Alligator zu sehen, der sich einen Weg durch das Wasser suchte, da aber die Wände ihres Gefährts wenig von der Umgebung preisgaben, war sie sich nicht sicher.
    Später wechselten sie die Richtung. Hatte bisher das Licht der Morgendämmerung vor ihnen gelegen, glänzte es jetzt golden, wenn Geraldine nach links blickte. Sie versuchte, den Richtungswechsel nachzuvollziehen. Vom Lake Talquin aus erstreckten sich mehrere Seitenarme Richtung Norden. Welcher von ihnen es war, in den sie eingebogen waren, konnte sie nicht erkennen.
    Weitere fünf Minuten vergingen. Dann wurde ich Geraldine plötzlich mit einem unsanften Ruck aus dem Wasser gehoben und landete auf einem Steg. Hinter ihr materialisierte sich Urbano. In diesem Moment stieg die Sonne über den Horizont und beleuchtete seinen wundervollen Körper.
    Vor Geraldine lag ein dicht mit Eschen bewachsenes Ufer. Die Bäume waren ungepflegt und mit den üblichen Schlingpflanzen überwuchert.
    Nur dort, wo der Steg in einen Pfad überging, öffnete sich eine Lücke in dem Wildwuchs.
    "Dort ist es!", sagte Urbano.
    Geraldine runzelte die Stirn. Während der Verfolgungsjagd und der späteren Reise durch das Wasser hatte sie keine Zeit gehabt, Fragen zu stellen. Ihr war immer noch unklar, was seit dem Überfall passiert war und was dies für sie bedeutete. Urbanos Rolle in dem ganzen Spiel konnte sie überhaupt nicht einordnen.
    "Was wird passieren?"
    Urbano trat neben sie. "Egal, was passiert. Du darfst nicht sterben!"
    Dieser Satz empörte Geraldine. "Darfst?", fragte sie. "Nicht: Wirst? Und warum darf ich nicht sterben? Was hängt von mir ab?"
    Zum ersten Mal zeigte Urbano eine andere Gefühlsregung als Wut oder Gleichgültigkeit. Er blickte sie direkt an (seine Augen waren tief blau) und eine leichte Traurigkeit huscht über sein Gesicht, dann lächelte er leicht und – wie Geraldine fand – ungekonnt, als sei er es nicht gewohnt.
    "Ich weiß es nicht genau. Es wurde mir gesagt."
    "Was wurde dir gesagt?"
    "Dass ich dich retten soll."
    Geraldine sah, wie plötzlich wieder kleine, blaue Schlieren die bronzene Haut aufrissen, als würden sich durch ein unsichtbares Messer Wunden bilden. Gleichzeitig spürte sie in sich Zorn aufsteigen, jener tiefe und schmerzhafte Zorn, der sie in den letzten Stunden schon so häufig heimgesucht

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