Nacht der Dämonin / Magischer Thriller
würde es tun, weil er keinen Wert habe – keine Reputation. Malcolm hat ihn schließlich umgebracht. Ihm den Hals gebrochen, ihn liegengelassen und sich auf die Suche nach mir gemacht. Ich bin ihm entkommen. In diesem Alter war das das Einzige, was ich tun konnte. Jahre später, als ich dann s oweit war, bin ich wieder hingegangen und wollte mir Malcolm vornehmen, aber da war es zu spät. Jemand anderes war mir zuvorgekommen.«
Ich suchte nach Worten. Ich hatte gewusst, dass sein Vater von einem Werwolf umgebracht wurde, und jetzt kannte ich auch die Umstände. Und vielleicht wusste ich jetzt sogar, warum er solche Schwierigkeiten damit hatte, dass er Mitglied des Rudels war. Alle, die mit dem Tod seines Vaters zu tun gehabt hatten, waren schon lange tot, und kein Sohn konnte weniger Ähnlichkeit mit seinem Vater haben als Jeremy, aber trotzdem – Karl hatte sich der Gruppe angeschlossen, die seinen Vater umgebracht hatte. Er hatte den Mann als Alpha akzeptiert, dessen Vater seinen Vater getötet hatte. Und ich wusste, dass er sich selbst die Schuld für diesen Tod gab.
Es würde absolut nichts bewirken, Karl darauf hinzuweisen, dass er damals noch sehr jung gewesen war. Damit würde ich ihm nichts sagen, das er nicht selbst wusste. Aber was ich während dieses einen Blicks auf sein Inneres gespürt hatte, war ein Strudel aus Reue und Schuldgefühlen gewesen – jene Erinnerung, die er gewählt hatte, als er mir die übelste hatte zeigen wollen, die er besaß.
»Es tut mir leid.«
Es war das Einzige, was ich sagen konnte, aber ich meinte es ernst, und es kam von Herzen. Er beugte sich vor und küsste mich auf den Scheitel.
»Ich möchte, dass du etwas weißt«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Wenn ich dich wegstoße, wenn ich dagegen ankämpfe, dass wir uns allzu nahe kommen, wenn ich egoistisch bin, dann deshalb, weil das die Lektion ist, die ich über mich selbst gelernt habe. Irgendjemand kommt mir nahe, und …« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht ist das einfach keine gute Idee, jedenfalls bei Leuten, an denen mir liegt.«
»Du warst sechzehn, Karl.«
»Ich habe nicht gesagt, dass es eine rationale Angst ist. Aber die übelsten Ängste sind das ja auch nicht, richtig?«
Er fing meinen Blick auf und hielt ihn fest.
»Ich glaube nicht, dass
meine
Angst irrational ist, Karl. Als ich in diesem Schutzraum war, alles, das einen normalen Menschen davon abgehalten hätte, Troy sterben sehen zu wollen, war ausgelöscht. Nicht begraben. Nicht überwältigt. Sondern vollkommen nichtexistent. Es war wie …« Ich legte beide Hände um mein Glas. »Ich weiß nicht mal, wie
was
es war.«
»Wie ein halb verhungerter Werwolf, der auf ein zweibeiniges Abendessen stößt?« Er nahm mir das Glas ab und stellte es auf den Tisch. »Was du fürchtest, Hope, ist die Möglichkeit, dass eines Tages das Ding, das du bist, die Person, die du bist, minutenlang überwältigen wird – und dass jemand deshalb sterben wird. Ein Werwolf hat sich mit dieser Möglichkeit von dem Tag an zu befassen, an dem er sich zum ersten Mal wandelt.«
»Aber du kannst es kontrollieren. Du hast niemals …«
»Dreimal. Zweimal in meinen Teenagerjahren, und ich könnte dir nicht mal sagen, wen ich da umgebracht habe. Ich weiß nur, dass ich mich gewandelt habe und beim Aufwachen mit menschlichem Blut bespritzt war. Beim dritten Mal war ich zwanzig, und ich bin zu mir gekommen und habe über der Leiche eines Mannes gestanden. Und gekaut. Ja, in aller Regel können wir es kontrollieren. Es ist wie bei dir mit dem Chaos. Du kannst dem Bedürfnis widerstehen, etwas zu tun, das du für falsch hältst. Mein Vater hat sein Möglichstes getan, um mir das beizubringen, aber er hatte keine Gelegenheit mehr, seine Lektionen zu Ende zu bringen. Der Instinkt ist da, und er muss befriedigt werden, und für den Wolf besteht kein Unterschied zwischen einem Stück Wild und einem Menschen. Beide sind Beute. Der Wolf empfindet kein Mitgefühl für den Menschen, überlegt sich nicht, dass er ein Leben auslöscht, denkt nicht an Ehemann und Ehefrau und Kinder dieses Menschen oder an dessen Eltern. Das ist die Aufgabe des menschlichen Teils, und es ist die Aufgabe des Werwolfs, dafür zu sorgen, dass die Menschlichkeit in ihm nicht verschwindet. Als ich an diesem Tag damals zur Besinnung gekommen bin und gesehen habe, was ich getan hatte, habe ich gewusst, ich muss eine Entscheidung treffen.«
Er drehte sich im Bett, rollte sich auf die Seite, den Kopf
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