Nacht der Dämonin / Magischer Thriller
sehr auffallende Mangel an Widerworten. Nach ein paar Minuten sagte ich: »Als Elena und ich mal bei einem Auftrag für den Rat zusammengearbeitet haben, hat sie gesagt, ihr Geruchssinn ist schärfer, wenn sie in Wolfsgestalt ist.«
»Hm.«
»Ich meine ja bloß …«
»Elenas Geruchssinn ist in jedweder Gestalt besser als meiner.«
»Und das gibst du zu?«
»Nur weil es sich um eine Fähigkeit handelt, bei der mir gar nicht daran liegt, mich in ihr besonders auszuzeichnen.« Eine Pause. »Aber du hast recht. Ich sollte mich wandeln.«
»Ich hab bloß einen Witz gemacht, Karl. Ich weiß, dass das nicht einfach mit einem Fingerschnippen geht …«
»Nein, ich sollte. Es ist jetzt schon überfällig.«
»Ach, deswegen bist du so brummig gewesen.«
»Ja. Es hat nicht das Geringste mit dir zu tun.«
Ich fuhr herum, konnte aber nur noch einen kurzen Blick auf seinen Rücken werfen, bevor er die Schlafzimmertür hinter sich zuzog. Er wollte bei seiner Wandlung keine Zeugen, und das nun hatte nichts mit Eitelkeit zu tun. Ich bin im Hinblick auf viele Dinge neugierig, aber die Verwandlung vom Menschen in den Wolf mitzuverfolgen gehört nicht dazu.
»Ich bemüh mich inzwischen Visionen aufzufangen«, sagte ich laut. »Versuch die Schmerzensschreie also auf ein Minimum zu beschränken, okay?«
Ein gemurmelter Fluch. Ich grinste und kehrte zum Sofa zurück.
[home]
Hope
Eine Nase für Ärger
W ährend Karl mit der Wandlung beschäftigt war, versuchte ich Chaosvisionen heraufzubeschwören. Wenn ich Chaos augenblicklich entdecken soll, muss es stark sein – entweder vor kurzem erst geschehen oder sehr intensiv. Um mehr zu finden, muss ich meine Antennen ausfahren, indem ich mich konzentriere. Das Problem ist, dass ich dann zu viele Signale auf einmal auffange, die alle meine Aufmerksamkeit beanspruchen.
Ich fing ein paar kurze Schnappschüsse auf: eine erhobene Hand, einen ärgerlichen Ruf, eine erstickte Bitte – aber ohne einen Zusammenhang, der sie erklärt hätte. Dass Karl sich im Nebenzimmer gerade wandelte, war auch nicht eben hilfreich. Es ging kein Chaos von ihm aus – Schmerz zählt nicht, wenn keine Emotion mit ihm verbunden ist, und darüber war Karl längst hinaus. Aber ich wusste, dass er etwas sehr Schmerzhaftes durchmachte, um mir zu helfen, und konnte die Gewissensbisse nicht ganz unterdrücken.
Schließlich hörte ich das Geräusch, auf das ich gewartet hatte, die dumpfen Tritte, mit denen Karl sich durchs Schlafzimmer bewegte, während er witterte. Dann ein Moment der Stille. Und dann ein Grunzen hündischer Frustration.
Ich ging zur Schlafzimmertür … und lachte auf.
»Ein Problem, Karl?«
Eine schwarze Nase erschien in dem schmalen Spalt der fast geschlossenen Tür. Er versuchte die Schnauze hineinzuschieben, um die Tür aufzustoßen, bekam sie aber nicht weit genug hinein. Wieder ein Grunzen, diesmal klang es gereizt. Die Nase verschwand. Ich konnte ihn vor mir sehen, wie er drinnen außerhalb meiner Sichtweite auf dem Hinterteil saß und das Problem erwog.
»Wenn du an der Tür kratzt, wird irgendwer dich wahrscheinlich rauslassen.«
Ein Schnaufen.
Ich stieß die Tür auf. Karl saß genau so da, wie ich es mir vorgestellt hatte. Er fixierte mich mit einem vernichtenden Blick und stelzte dann an mir vorbei.
Bevor ich Karl kennenlernte, hatte ich mich manchmal gefragt, wie ein gewandelter Werwolf wohl aussah. Die Neugier hatte mich nicht gerade verzehrt, aber überlegt hatte ich es mir. Ich hatte Geschichten gehört, aber nie den Bericht eines Augenzeugen. Meine Wissbegier war gleich in der ersten Nacht befriedigt worden.
Zugegeben, ich hatte sehr wenig Erfahrung gehabt und zunächst gedacht, ein Wolf sehe aus wie ein großer dunkler Hund. Später war ich auf das Foto eines schwarzen Wolfs mit Schnee auf der Nase gestoßen, der dem Fotografen einen herrischen Blick zuwarf. Der Wolf – und sein Gesichtsausdruck – erinnerte mich so sehr an Karl, dass das Bild jetzt bei mir zu Hause über dem Computer hing. Er konnte es nicht ausstehen. Drohte, damit zu verschwinden, wann immer er zu Besuch kam, aber natürlich hatte er es nie getan.
Karl suchte mit der Nase am Boden die ganze Wohnung ab. Ich wollte nicht zu neugierig wirken, also kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, setzte mich im Schneidersitz auf den Teppich und konzentrierte mich.
Nach ein paar Minuten erwischte ich eine Vision, die ich zuvor noch nicht gesehen hatte – aufspritzendes Blut. Mit hämmerndem Herzen wich
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