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Nacht der gefangenen Träume

Nacht der gefangenen Träume

Titel: Nacht der gefangenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Michaelis
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geschlossen und ihr Gesicht wirkte friedlich. Sie schlief. Manchmal zuckte sie leicht. Dann sah er ihre Augäpfel hinter den geschlossenen Lidern rollen. Sie träumte. An ihrem Kopf jedoch waren die Enden der sieben Schläuche mit Saugnäpfen befestigt und etwas wie dünne Schatten lief durch sechs der Schläuche in Richtung Fenster. Etwas lief aus Änna heraus.
    »Das ist eine Menge!«, flüsterte Bruhns. »Eine Menge abzupumpen. Es wurde wirklich höchste Zeit. Die Ideen müssen nur so gewuchert sein auf diesem Nährboden.«
    »Haben Sie den Schalter unten richtig eingestellt?«, fragte Fyscher flüsternd. »Was da durch die Schläuche fließt, sieht mir fast zu dunkel aus. Wenn wir am Ende nur die Albträume abpumpen! Als es das letzte Mal passiert ist, mussten wir in der nächsten Nacht wiederkommen und …«
    Bruhns schnitt ihm das Wort mit einer Handbewegung ab. »Ich habe selbst darauf geachtet, dass beide Hebel umgelegt sind, der schwarze und der weiße. Zweifeln Sie an mir?«
    »Nein, nein, ich … es ist nur …«
    »Dann denken Sie nicht so viel nach. Sonst könnte es sein, dass ich Sie auch einmal nachts besuche!«
    Fyscher verstummte.
    Bruhns trat grinsend zum siebten Schlauch, durch den etwas Zähflüssiges, Helleres unterwegs zu sein schien. Etwas, das vom Fenster aus in Ännas Kopf hineinfloß statt hinaus. »Vanille«, murmelte er und drückte den Schlauch prüfend mit Daumen und Zeigefinger ein wie einen Fahrradreifen. »Die nächsten Monate wird unsere kleine Änna von Vanillepudding träumen. In Pudding wachsen keine Ideen.«
    Er lachte leise. »Stellen Sie sich vor, Fyscher, Sie zweifeln zu viel an mir und eines Tages fülle ich Ihren Kopf mit Träumen von Pudding ab, süßem Pudding, der Sie einlullt. Was hätten Sie wohl lieber, he, Fyscher? Vanille- oder Schokopudding?«
    Fyscher schwieg. Nur seine Zunge ruckte weiter rastlos. Nervös. Auch er hatte Angst vor Bork Bruhns. Aber in seinen Augen sah Frederic noch etwas anderes blitzen: Gier.
    »Besser, Sie zweifeln nicht und nehmen Ihren Anteil des Schulgeldes«, sagte Bruhns. Fyscher nickte zungezuckend. Frederic ballte die Fäuste. In ihm kämpften zwei einsilbige, vielschichtige Gefühle: Angst und Wut. Er wollte die Tür aufstoßen, sich auf Bruhns stürzen, ihm seine Fäuste in die Magengrube rammen. Und er wollte sich umdrehen. Weglaufen. Nie mehr wiederkommen. Sich die Ohren zuhalten. Die Augen vor der Wahrheit verschließen. Alles vergessen.
    Er tat weder das eine noch das andere. Angst und Wut bissen sich in der Mitte ineinander fest, und Frederic blieb stehen, wo er war, reglos, ein Teil der Nacht an einem Donnerstag gegen zwölf Uhr.
    Das schlürfende Geräusch wurde jetzt langsam leiser; es gurgelte noch ein paarmal in den Leitungen; dann war alles still. Die Maschine schwieg. Ein Lächeln aus zwei Zahnreihen breitete sich über Bruhns’ Gesicht. Er löste die Saugnäpfe von Ännas Kopf und begann, wortlos die Schläuche einzurollen, während Fyscher die Schnallen und Riemen von Ännas Körper löste. Sie schlief noch immer. Doch ihr Gesicht war jetzt ruhig geworden, zu ruhig, starr wie eine Maske. Und Frederic wusste, wovon sie träumte: Vanillepudding. Am nächsten Tag würde sie Kahlhorst keine Flügel mehr malen und HD Bruhns nicht mehr widersprechen.
    Bruhns, der ihnen allen die Träume stahl. Bruhns, der sie zu ideenlosen Musterschülern machte. Mitläufern. Bah! Ekel breitete sich in Frederic aus, schlüpfrig, ruhelos und glatt wie Fyschers Zunge, die nur Frederic sehen konnte.
    Er dachte an Ännas kleine Gestalt auf dem Schulhof, die ihm nachgeblickt hatte, als er mit Hendrik fortgegangen war. Sie sah nicht. Aber sie schien zu ahnen, dass etwas nicht stimmte mit St. Isaac. Sie hatte es geahnt. Jetzt war sie wieder wie die anderen: eine leere, gehorsame Marionette. Eine Hülle.
    Und auf einmal war Frederic klar, was er tun musste.
    Er drehte sich um, zog sich lautlos zurück in den Korridor, griff in den Berg von Stofftaschen, krallte sich die größte, die er ertasten konnte, und raste die Treppe hinunter. Er musste sich zusammenreißen, die Tür leise zu schließen. Sekunden später war er wieder im Hinterhof, eine geduckte Gestalt, auf dem Weg zur Rettung der Welt – nun ja: zumindest einer ganzen Schule –, bewaffnet mit nichts als einer Stofftasche.
    Bruhns und Fyscher waren oben im ersten Stock noch immer dabei, die Schläuche zusammenzulegen. Die Ziesel, die offenbar nichts mehr zu tun hatte, lehnte an der Wand

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