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Nacht der gefangenen Träume

Nacht der gefangenen Träume

Titel: Nacht der gefangenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Michaelis
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ihre Sprungfedern testen, über ihre Schalter streichen können. Sie war etwas Böses, er wusste es, und doch konnte er nicht umhin, sie zu bewundern. Hatte Bruhns die Maschine gebaut? Bruhns, der jetzt zärtlich ihre Aufbauten tätschelte?
    »Gutes altes Mädchen«, sagte der HD. »Ich habe sie gestern geölt. Bitte, meine Herrschaften, steigen Sie ein. Wir haben heute Glück. Bei der Dunkelheit können wir besonders ungestört arbeiten. Eine wunderbare Neumondnacht wartet auf uns.«
    Frederic hörte ein feines, zahniges Lächeln in seiner Stimme. Noch jemand wartete. Änna.
    Der HD öffnete eine Tür seitlich an der Maschine und die Ziesel und der Fyscher stiegen hinein. Bruhns selbst nahm vorne zwischen den Schläuchen und Schaltern Platz wie auf einem Kutschbock, drehte einen Schlüssel im Zündschloss, legte einen Hebel um – und ein Zittern durchlief den Körper der Maschine. Das leise, wohlige Schnurren eines Motors ließ die Nacht vibrieren. Die Maschine setzte sich in Bewegung, langsam zunächst, schließlich schneller und schneller. Frederic starrte ihr nach, wie sie die Straße hinunter verschwand. Dann löste sich die Starre des Staunens, die ihn gefesselt hatte. Er sprang auf und riss sein Fahrrad aus dem Busch.
    Einen Moment später war er wieder unterwegs durch die Nacht.
    Die dunklen Mäuler der Hauseingänge schienen ihm mit toten Blättern Windwarnungen zuzuwispern: Kehr um! Fahr nach Hause! Vergiss, was du gesehen hast!
    Frederic trat schneller in die Pedale. Ein paarmal glaubte er, die Maschine verloren zu haben, doch er fand sie jedes Mal hinter der nächsten Biegung wieder. Einmal begegneten sie einem Penner, der den Bürgersteig entlangwankte, behängt mit einer stolzen Sammlung von Einkaufstüten und Regenschirmen. Er starrte die Maschine an, schüttelte den Kopf und wankte weiter.
    »Scheiß K-Korn!«, hörte Frederic ihn murmeln. »Versetzen den mit wa-wa-weiß-ich-was, a-absichtlich, ich sag’s euch, um uns vu-vu-verrückt zu machen!«
    Er hob eine halb leere Flasche und prostete sich selbst zu. Dabei verlor er das Gleichgewicht und fiel vor Frederic quer über die Straße. Frederic bremste, verlor ebenfalls das Gleichgewicht und fluchte. Wenn er die Maschine jetzt verlor!
    Der Penner starrte ihn vom Boden aus an. »D-du!«, lallte er und pikte mit einem unsteten Zeigefinger nach Frederic. »Du hascha … Schascheln! Oder issas auch da K-Korn?«
    Frederic richtete das Fahrrad auf. Am Ende der Straße bog die Maschine ab.
    »Schta…schascheln!«, wiederholte der Penner anklagend. Aber Frederic hörte ihm nicht mehr zu, und als der Alte seinen Hinterreifen festhielt, riss er sich gewaltsam los.
    »Pa-pass auf!«, lallte der Penner ihm nach, nuscheliger denn je. »De-de-der Schacht isch … ge-ge-gefählisch! D-der geht su den Alb… Alb…«
    »Ja, ja«, antwortete Frederic im Fahren, »der Schachtisch geht zu den Alpen. Und deine Kornflasche ist ein Wildschwein.«
    Er hatte jetzt keine Zeit für Penner. Er trieb das Fahrrad gnadenlos durch die Straßen, hetzte der Maschine nach. Die Wollpulloverärmel schlackerten um seine Arme wie eine zu große Haut, und in seiner Lunge schien jemand mit einer spitzen Nadel die Lungenbläschen aufzustechen – schneller! Schneller! Schneller!
    Und dann, endlich, hatte er sie eingeholt.
    Und dann, endlich, bremste HD Bruhns die Maschine vor einem schmalen hohen Reihenhaus mit Rosenranken an der Vorderfront und fuhr drum herum, in den Hinterhof. Auf dem Volkshochschulkurs-getöpferten Klingelschild las Frederic: Mark, Hedwig und Änna Blumenthal .
    An einem Donnerstag gegen halb zwölf Uhr nachts erfuhr Frederic Lachmann die Wahrheit. Nicht die ganze Wahrheit (die ganze Wahrheit würde er noch eine Weile nicht erfahren, und die wirklich-absolut-ganze Wahrheit erfährt man nie). Aber einen Teil der Wahrheit. Einen wichtigen Teil, den niemand kannte außer Bork Bruhns und eine Handvoll seiner Lehrkräfte … und noch zwei Personen, die hier zunächst nicht genannt werden möchten.
    An einem Donnerstag gegen halb zwölf Uhr nachts lehnte Frederic Lachmann das alte Rad seines Vaters gegen eine Hauswand, wo es zwischen den Rosenranken nicht auffiel.
    An einem Donnerstag gegen halb zwölf Uhr nachts fuhr im tiefen Schatten eines Hinterhofs eine seltsame Maschine eine Leiter aus, die langsam und lautlos aus ihrem Inneren in die Höhe wuchs.
    An einem Donnerstag gegen halb zwölf Uhr nachts drehte sich Änna Blumenthal in ihrem Bett unter der bunt

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