Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht der gefangenen Träume

Nacht der gefangenen Träume

Titel: Nacht der gefangenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Michaelis
Vom Netzwerk:
zwei …«
    Frederic zog Änna mit sich auf den Boden hinunter. Sie drückten sich dicht gegen ein Käfiggitter, obwohl das natürlich nicht viel nützen würde.
    Ehe der alte Mann jedoch »drei« sagen konnte, geschah etwas anderes. Ein Knirschen und Ächzen lief durch die Wand der Fabrikhalle, und dann fiel ein einzelner Lichtstrahl in die Schwärze, Licht von draußen: Jemand hatte eine Art Fenster in der Wand geöffnet. Die Träume, die vorher noch geflüstert hatten, verstummten auf einen Schlag. Zum Glück traf das Licht Frederic und Änna nicht.
    »Macht Platz in Käfig zwei-vier-sieben!«, rief eine Stimme, die bisher nicht da gewesen war. Es war Bork Bruhns. Aufgeregtes Rascheln ertönte, und Frederic sah in dem Lichtstreifen, wie die Knäuel in einem der Käfige beiseiterückten. Die Decke dort war schwarz von Träumen; es gab keinen Platz mehr, doch sie versuchten zu gehorchen. Und dann ergoss sich aus der runden Öffnung, durch die das Licht strömte, ein Schwall aus neuen Knäueln. Sie purzelten mit winzigen, erschrockenen Aufschreien in die Fabrikhalle, schaukelten in der Luft: auch sie schwerelos, schwebend. Es gab ein riesiges Durcheinander in Käfig zwei-vier-sieben, eine Art schwarzer Wellen aus aufgeregten Knäueln, die durch die Luft flogen. Einige wurden nach unten abgedrängt, was ihnen offenbar nicht gefiel, und dann rief Bork Bruhns durch die Öffnung: »Wächter? Traumwächter?«
    »Zu Diensten!«, meldete sich der Alte.
    »Wie viel Platz ist noch?«
    »Oh, wenig, wenig, Herr Direktor. Es wird knapp. Die Träume werden unzufrieden. Wenn sie versuchen, sich auszudehnen, treten sie sich alle gegenseitig auf die Füße.«
    »Sie haben sich nicht auszudehnen! Wie häufig spielen Sie das autoritäre Tonband ab?«
    »Jeden Morgen.«
    »Spielen Sie es häufiger. Täglich zwei Mal. Drei Mal, wenn es sein muss.«
    »Aber es erschreckt sie so, Herr Direktor.«
    »Das ist der Sinn der Sache.«
    »Es … es tut ihnen nicht gut. Wenn ich sie füttere, müssen sie sich für kurze Zeit ausdehnen können, um zu fressen.«
    »Sie können es der Reihe nach tun. Lob der Disziplin! Disziplin ist alles!«
    »Ja, Herr Direktor«, sagte der Traumwächter. Aber er klang nicht glücklich.
    Die Luke wurde von außen verschlossen, das Licht wich wieder der schwarzen Nachtblindheit, und Frederic hörte, wie sich die Schritte des Traumwächters auf einer Leiter nach oben entfernten. Offenbar hatte er die Eindringlinge vergessen.
    Frederic stand auf und tastete sich zurück zur Tür.
    »Können wir diese Luke nicht von innen öffnen?«, wisperte ein kleiner, schüchterner Traum.
    »Vergiss es«, murmelte eine andere Stimme, »ich bin schon fünf Jahre hier. Es ist nicht einfach eine Luke. Es ist eine Art Schleuse. Man kann sie nur von außen öffnen. Und Dinge hineinpumpen, durch Druck. Ich bin ein Traum von einem physikalischen Experiment, ich kenne mich aus.«
    »Wer hier sitzt, sitzt für immer hier«, raschelte ein Traum-Baum oder ein Baum-Traum. »Lebenslänglich.«
    Frederic und Änna hatten jetzt den Ausgang erreicht. Frederic fuhrwerkte mit dem besonderen Dietrich herum und die Tür sprang leise auf. Er wollte einen Schritt hinausmachen, doch Änna hielt ihn am Pulloverärmel zurück und legte ihm den Finger auf den Mund.
    Da hörte auch Frederic, was sie hörte: Bruhns war noch hier draußen, ganz nah.
    »Auch der Schacht ist zu voll«, sagte er. »Es wird immer gefährlicher. Ich weiß nicht, wie es mit den Oberirdischen ist, aber allein diese ganze unterirdische Bande hat die Kraft eines mittleren Atomkraftwerks. Es wird höchste Zeit, dass wir sie loswerden. Ich würde lieber heute als morgen …«
    »Noch zwei«, sagte Sport-Fyscher. »Zwei Pakete. Dann reicht es.«
    »Könnten wir nicht auch mit den Vorräten, die wir jetzt haben …?«
    »Und wenn wir damit nicht alle beseitigen?«
    Ein Seufzen von HD Bruhns. »Ja. Ja, Sie haben recht.«
    »Wohin soll die Maschine? Mal wieder zu Ihnen in die Garage? Sie sieht aus, als bräuchte sie einen Ölwechsel.«
    »Nein, nach St. Isaac. Beim letzten Mal haben meine Nachbarn schon seltsame Fragen gestellt. Wir warten das Ding ab jetzt seltener. In letzter Zeit scheinen zu viele Leute ihre Nase in unsere Angelegenheiten zu stecken.«
    Die Stimmen wurden leiser, entfernten sich, verstummten.
    Frederic und Änna verließen die Fabrikhalle lautlos. Das braune Trockengras begrüßte sie knispernd. Sie sahen Bruhns’ Maschine samt blinkenden Knöpfen und Antennen gerade

Weitere Kostenlose Bücher