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Nacht der gefangenen Träume

Nacht der gefangenen Träume

Titel: Nacht der gefangenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Michaelis
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hatte anfertigen lassen, schrieb mit dunklen Fingern GYMNASIUM ST. ISAAC in die Nacht.
    Als Frederic eine halbe Stunde später die Wohnungstür aufschloss, stand Hendrik vor ihm. Er musste den Schlüssel im Schloss gehört haben. Hendrik sagte lange nichts, stand einfach nur da und sah zu, wie Frederic seine Schuhe abstreifte. Er zitterte von der Kälte der Herbstnacht; der geerbte Pullover war mit Änna nach Hause gegangen.
    »Schlaf jetzt«, sagte Hendrik schließlich. »Wir reden morgen darüber.«
    Frederic schlüpfte wortlos unter die Decke und sank in Träume von gefangenen Träumen, was sehr verwirrend war.
    Am nächsten Morgen hatte Frederic eine riesige Beule auf dem Kopf und blaue Kreise um die Augen. Sie machten sich gut zu den Ringen darunter. Quer über seine Unterlippe zog sich ein verschorfter Riss.
    In der Küche klapperte Hendrik mit dem Frühstück.
    »Hallo«, sagte er, als Frederic auftauchte, und musterte ihn: Blaue Augen. Beule. Augenringe. Aufgerissene Lippe. »Okay. Reden wir. Setz dich.«
    Frederic setzte sich. Was sollte er Hendrik sagen? Dass es eine besondere Behandlung für blaue Augen und aufgesprungene Lippen war, nachts durch die Stadt zu streunen? Dass er seinen Pullover beim Kartenspielen an ein pulloverfressendes Schattenmonster verloren hatte? Dabei konnte er gleich erwähnen, dass sein Fahrrad unter eine tollwütige Planierraupe geraten war, denn irgendwann würde Hendrik sicher merken, dass es nicht mehr da war. Frederic seufzte.
    »Wo …?«, begann Hendrik.
    In diesem Moment klingelte es an der Tür. Und weil keiner von ihnen daran gedacht hatte, die Tür nachts richtig zu verschließen, stand derjenige, der geklingelt hatte, gleich darauf in der Küche. Es war allerdings eine Diejenige. Frederic atmete auf.
    »Lisa!«, rief er. »Schön, dich zu sehen!«
    Lisa wirkte etwas verlegen. »Ich störe euch beim Frühstück …«
    »Setz dich!«, sagte Frederic und rückte eilig einen Stuhl für sie zurecht. »Kaffee? Tee?«
    »Strom«, sagte Lisa und legte eine schwarze Tasche auf den Tisch.
    »Wie bitte?« Frederic starrte sie an.
    Hendrik starrte sie auch an. »Ein Tässchen Strom?«, fragte er.
    Offenbar hatte er am Nachmittag zuvor gelernt, dass man doch mit Lisa sprechen konnte. Er hatte ja auch lange genug Zeit dazu gehabt, als er mit Lisa zusammen das Ergebnis von Frederics Schlägerei bewacht hatte. Schlägereien sind manchmal doch eine feine Sache.
    Jetzt holte Lisa einen Laptop aus der schwarzen Tasche.
    »Es ist so …«, begann sie zögernd. »Ich habe ihn mir ausgeliehen, aus der Schule, wo ich arbeite. Und gerade habe ich festgestellt, dass das eine Ende der Steckverbindung verbogen ist. Ich muss den Computer aber heute Mittag zurückbringen, und da dachte ich … wo Sie doch Computer reparieren …«
    Hendrik schüttelte langsam den Kopf. »Ich repariere vor allem Programmfehler . Ich könnte das Ding natürlich aufschrauben … aber eigentlich wollten wir gerade etwas besprechen, Frederic und ich. Eigentlich ist dieser Laptop zweitrangig.«
    Frederic sprang auf. »Erstrangig!«, rief er. »Ganz erstrangig! Wir können uns später noch unterhalten. Ich muss sowieso los zur Schule.«
    »Du bist krank«, sagte Hendrik. »Du bleibst zu Hause.«
    »Oh, mir geht’s wieder prima!«, versicherte Frederic eilig und schnappte sich seinen Schulrucksack. Sekunden später fiel die Haustür hinter ihm ins Schloss. Uff. Frederic hörte Hendrik hinter sich fluchen, aber er kam ihm nicht nach.
    In der Schule spürte er Josephines Blicke auf sich. Sie schien verblüfft darüber, dass Frederic da war. Der starke Georg sah eher erleichtert aus. Über seinem Kopf schwebte eine rußige Wolke. Vielleicht war das ein schlechtes Gewissen. Änna blinzelte ihm zu. Sie trug den Pullover von seiner Mutter, hatte ebenfalls Augenringe und – lächelte. Es war schwerer denn je, nicht einfach zu ihr zu gehen und Hallo zu sagen. In Deutsch, bei Bruhns, wo Josephine neben Frederic saß, spielten ihre bezahnten Finger nervös auf der Tischplatte. Bruhns selbst warf ab und zu einen Blick herüber, rief Frederic aber kein einziges Mal auf.
    »Was ist?«, wisperte er Josephine zu. »Hast du gedacht, du hättest mich für immer beseitigt? Wäre es dir lieber, wenn ich ein paar Meter unter der Erde läge?«
    »Warte nur«, zischte Josephine böse. »Was nicht ist, kann ja noch werden.«
    »Im Übrigen stinkst du nach Erdbeeraroma«, flüsterte Frederic. »Wie ein indischer Tempel, in dem eine

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