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Nacht der gefangenen Träume

Nacht der gefangenen Träume

Titel: Nacht der gefangenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Michaelis
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verhungere, erfriere ich, ehe Bruhns uns alle tötet.«
    Er nieste.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte der Geburtstag von der Käfigdecke.

10. Kapitel
    Grenzerfahrungen
    »Du denkst also wirklich, sie hat von mir geträumt?«, fragt Frederic nachdenklich.
    »Wie erklärst du dir denn sonst, dass dein Double in dem Käfig aufgetaucht ist?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht hat jemand anders von mir geträumt.«
    »Wer? Josephine?«
    Frederic lacht. »Nein, denn dann wäre ich wohl im Keller der Albträume gelandet, nicht wahr?«
    »Allerdings«, sage ich und mache den Computer an. »Apropos Keller der Albträume. Die Kanalisation führte direkt daran entlang, oder?«
    Frederic zögert. »Hm, ja, ich glaube. Ich weiß es nicht mehr so genau.«
    »Lüge!«, sage ich und grinse. »Du weißt es noch genau. Genauer, als dir lieb ist!«
    »Und wenn ich es weiß?«, fragt er.
    »Du musst mir helfen, es zu erzählen«, antworte ich, wieder ernst. »Ich war schließlich nicht dabei.«
    »Na, als Erstes kommt jetzt was, wo ich nicht dabei war. Mit Änna und so. Was hat sie gesagt, als plötzlich am späten Nachmittag eine fremde Frau bei ihr vor der Tür stand?«
    »Sie hat gesagt: Wir kaufen nichts .«

    »Wir kaufen nichts«, sagte Änna.
    »Prima«, sagte Lisa. »Ich verkaufe auch nichts. Bei mir gibt es nur Dinge umsonst. Heute eine Autofahrt. Samt privatem Chauffeur. Der private Chauffeur bin im Übrigen ich.«
    Änna schüttelte den Kopf. »Ich brauche keinen Chauffeur. Was wollen Sie?«
    »Ich will wissen, wo Frederic ist.«
    »Frederic?« Über Ännas Gesicht tobte ein winziger Wirbelsturm, einen Wimpernschlag lang nur, doch Lisa sah es. Da war etwas wie Freude, etwas wie Verlegenheit, etwas wie Erschrecken und etwas wie Angst. Dann glätteten sich die Wogen, und Änna sagte: »Ich weiß nicht, wo er ist. Sein Vater hat auch schon angerufen. Warum denken bloß alle, ich wüsste, wo Frederic sich herumtreibt?«
    »Vielleicht, weil du der einzige Mensch bist, mit dem er jemals befreundet war«, antwortete Lisa. Der Sturm versuchte, sich wieder auf Ännas Gesicht zu schleichen, doch diesmal ließ sie ihn nicht. »Ich kenne ihn nur aus der Schule.«
    Lisa trat einen Schritt näher an Änna heran, und Änna wich zurück, doch in ihrer gewohnten Ungeschicklichkeit stolperte sie dabei, kam irgendwie gegen die Tür, und die Tür fiel hinter ihr zu. Änna drückte sich mit dem Rücken dagegen und blickte zu Lisa auf.
    »Erzähl mir, was du weißt«, flüsterte Lisa.
    Änna schluckte. »Er hat gesagt, er müsse untertauchen«, wisperte sie. »Aber er hat nicht gesagt, wo. Wirklich nicht.«
    »Ich glaube, ich ahne, wo er ist«, sagte Lisa düster. »Es gibt nur einen Ort, wohin Bruhns Leute stecken kann, die er loswerden will. Diese dumme alte Fabrikhalle. Änna! Du hast deine Träume verloren. Aber du hast deine Erinnerungen noch! Du warst dort. Mit Frederic. Er hat es mir erzählt.«
    »Vielleicht sind Sie dann sein einziger Freund, nicht ich«, sagte Änna leise.
    Lisa hob Ännas Kinn behutsam mit einem Finger an und sah ihr in die grauen Augen. Sie fand Tränen darin.
    »Ich darf nicht einfach … mit irgendwem mitfahren …«, wisperte Änna. »Meine Eltern sind nicht da, aber es ist … nicht erlaubt. Und Herr Direktor Bruhns hätte sicher etwas dagegen.«
    Lisa wandte den Blick nicht von Ännas Augen ab.
    »Versuch es. Erinnere dich«, beharrte sie. »Da war ein Feld, ein Feld voller Blumen mit gelben Federn. Es war im Keller von St. Isaac. Frederic stand mitten in dem Feld, zusammen mit dir. Er hat dir deine Träume wiedergegeben. Und da war eine Nacht. Ihr seid Fahrrad gefahren …«
    »Es war kalt«, flüsterte Änna. »Er hat mir den Pullover gegeben.«
    Sie strich über den wollenen Kragen. »Bis eben dachte ich, ich hätte vergessen, wie er ihn mir gab. Aber jetzt erinnere ich mich. Ich – ich werde mitkommen.«
    In Lisas Auto war es warm, und es roch nach Karamellbonbons, Kaffee und nassem Hund. Änna musste eine Bücherkiste, zwei Pullover und einen kleinen Kastanienbaum beiseiteschieben, um auf der Rückbank Platz zu finden. Der Hund war nicht da. Vielleicht hatte Lisa den nur mal per Anhalter mitgenommen. Zuzutrauen war es ihr.
    »Der Kastanienbaum fährt gerne Auto«, erklärte sie mit einem Blick nach hinten. »Wenn ich ihn in meine Wohnung stelle, verliert er jedes Mal alle Blätter. Aber hier geht es ihm prächtig. Man muss allerdings das Fenster ein Stück offen lassen, damit er Luft kriegt.«
    »Ach«,

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