Nacht der Hexen
Verbannung nachzulassen begann, versuchte ich Abstand zu gewinnen und die Situation logisch zu analysieren. Der Zirkel hatte mich also ausgestoßen. Sie hatten Angst; sie reagierten auf eine uralte Angst, die ihnen von Victoria und ihren Freundinnen wieder eingehämmert worden war. In ihrer Panik angesichts der möglichen Enttarnung verlegten sie sich auf die einfachste Lösung – sie versuchten die Ursache der Bedrohung loszuwerden. DieBewohner von East Falls hatten mit ihrer Petition auch nichts anderes getan. Aber wenn die Gefahr einmal vorbei war, würden beide Gruppen mich wieder willkommen heißen. Gut, ›willkommen‹ – das war vielleicht etwas zu optimistisch, aber sie würden mir zu bleiben gestatten – in der Stadt und im Zirkel. Mit genügend Willen und Entschlossenheit lässt sich alles reparieren.
»W-wo ist eigentlich Savannah?«, fragte ich, während ich mir die Augen trocknete.
»In der Küche. Beim Teemachen, glaube ich.«
Ich setzte mich aufrecht hin. »Ich habe das Gefühl, das haben alle Leute hier in letzter Zeit ziemlich oft gemacht. Sich um Paige kümmern.«
»Kaum. Du –«
»Ich weiß es zu schätzen, aber mit mir ist alles in Ordnung«, sagte ich und drückte seine Hand, während ich aufstand.
»Wir haben heute ein paar Dinge zu erledigen. Zunächst mal, ich sollte mit Savannah ihre Zeremonie durchgehen. Ich weiß, es ist noch eine ganze Woche bis dahin, aber ich will sicherstellen, dass sie sich an alles erinnert und dass wir alle Ingredienzien haben.«
Er nickte. »Gute Idee. Während ihr das tut, werde ich meine Wäsche in die Waschmaschine werfen, wenn es dir recht ist.«
»Oh, natürlich, du hast ja nur zwei Sätze dabei. Komm, gib mir die Sachen –«
»Ich mache das schon, Paige. Geh du und sprich mit Savannah.«
»Nachher sollten wir deine Taschen aus dem Motel holen und herbringen.« Ich unterbrach mich. »Das heißt, wenn wir weiterhin hier bleiben wollen. Das sollten wir wohl auch besprechen.«
Er nickte, und ich ging zur Küchentür. Savannah sah von dem Tee auf, den sie gerade ins Sieb füllte.
»Lass das, Liebes«, sagte ich. »Danke, dass du dich um mich kümmern willst, aber mir geht’s gut. Was hältst du davon, wenn wir die Zeremonie deiner Mom mal durchgehen und überprüfen, ob ich sie richtig hinkriege?«
»Okay.«
»Ich hole nur mein Zeug, dann gehen wir runter.«
Savannah folgte mir in mein Zimmer. Als ich die Tasche aus ihrem Versteck zog, zersplitterte hinter mir das Fenster. Savannah schrie, und ich fuhr herum, eben noch rechtzeitig, um einen fußballgroßen Stein gegen die hintere Wand donnern zu sehen. Er landete auf dem Teppich, drehte sich einmal und hinterließ dabei eine rote Spur. Ich hielt es für Blut und drehte mich zu Savannah um, aber sie rannte schon zum Fenster, offenbar unverletzt.
»Geh weg da!«, schrie ich.
»Ich will sehen, wer –«
»Nein!«
Ich packte sie am Arm und zerrte sie zurück. Als ich mich wieder zum Zimmer umdrehte, sah ich, dass mit roter Farbe ein Wort auf den Stein geschmiert war:
BRENNE
.
Ich zerrte Savannah aus dem Zimmer, gerade als Cortez aus der Küche geschossen kam.
»Ich war im Keller«, sagte er. »Was ist passiert?«
Ich griff nach dem Telefon und wählte die 911, während Savannah ihm von dem Stein erzählte. Cortez’ Gesichtsausdruck wurde grimmig, und er marschierte zum Küchenfenster, um hinauszusehen. Während ich der Vermittlung noch erklärte, was passiert war, nahm er mir das Telefon aus der Hand.
»Schicken Sie die Feuerwehr her«, sagte er in den Hörer. »Polizei und Feuerwehr. Sofort.«
Während er die Adresse durchgab, rannte ich zum Fenster. Mein Geräteschuppen stand in Flammen – geschürt vom Benzin des Rasenmähers und weiß Gott was noch für brennbaren Stoffen.
Und plötzlich explodierte er. Der Krach dröhnte durch das ganze Haus. Als das nächste Krachen folgte, glaubte ich zuerst, es müsse wieder der Schuppen sein – bis Glassplitter mich im Gesicht trafen und etwas mir gegen die Schulter flog.
Cortez schrie etwas und stürzte sich auf mich, packte mich am Rückenteil meiner Bluse und zerrte mich so abrupt nach hinten, dass er mich von den Füßen riss. Als er mich aus der Küche zog, sah ich, was mich getroffen hatte: eine Flasche, in der ein brennender Lappen steckte. Ich war kaum aus dem Zimmer, als der Inhalt der Flasche, was es auch gewesen war, sich entzündete. Ein Feuerball füllte meine Küche mit Flammen und Rauch.
»Savannah, runter!«, schrie Cortez.
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