Nacht der Hexen
»Kriech zur Tür!«
An der Rückseite des Hauses hörte ich das nächste Fenster zersplittern. Mein Büro! O Gott, meine gesamte Arbeit war dort drin. Als ich mich aus Cortez’ Griff losriss, fiel mir ein, welches Zimmer noch nach hinten lag und welche noch wertvolleren Besitztümer dort lagen.
»Mein Schlafzimmer! Das Material für die Zeremonie und die Grimorien!«
Cortez versuchte mich zu packen, aber ich warf mich außer Reichweite. Sirenen und Geschrei drangen an meine Ohren, vom Getöse des Feuers fast übertönt. Zwei Schritte von meiner Zimmertür entfernt kam mir eine Rauchwolke entgegen.Ich taumelte zurück, würgte und atmete instinktiv tiefer ein, rang nach Luft und füllte meine Lungen dabei mit Rauch. Nach einem Sekundenbruchteil blanker Panik kam ich wieder zur Besinnung, ging auf alle viere und kroch in mein Zimmer.
Mein Bett sah aus wie ein dämonisches Feuerwesen, ein vierbeiniges Flammenmeer, das alles in seiner Reichweite verzehrte. Ein Windstoß kam durchs Fenster herein, blähte die Vorhänge, blies mir Rauch ins Gesicht und blendete mich. Ich bewegte mich vorwärts, orientierte mich nach der Erinnerung, die Hände vorgestreckt. Ich fand als Erstes die Tasche, wickelte mir die Gurte um eine Hand und suchte mit der anderen weiter. Als ich die Kante der Falltür fand, hielt ich inne und begann am Rand entlangzutasten. Meine Finger trafen auf das glühend heiße Metall des Riegels, und ich fuhr zurück, geradewegs in den flammenden Teppich hinein.
Eine Sekunde lang war es ganz einfach zu viel. Die alte Angst vor dem Feuer fraß an meinem gesunden Menschenverstand, füllte meinen Geist mit Geruch, Geräusch, Geschmack und Substanz von Flammen. Ich erstarrte, außerstande, mich zu bewegen, überzeugt, dass ich hier sterben würde, verdammt zum angestammten Tod der Hexen. Der blanke Horror dieser Vorstellung – der Gedanke, sich hier zusammenzukauern und der Furcht nachzugeben – brachte mich zur Besinnung. Ich ignorierte den Schmerz, öffnete den Riegel und klappte die Falltür zurück. Eine Sekunde später hatte ich meinen zweiten Rucksack erwischt. Ich packte die Gurte, zerrte ihn aus seinem Versteck und begann, rückwärts wie ein Krebs zur Tür zu kriechen. Ich hatte es kaum einen halben Meter weit geschafft, als Cortez mich am Knöchel packte und aus dem Zimmer zerrte.
»Dort entlang«, sagte er, während er mich vorwärts schob.
»Zur Tür. Steh nicht auf. Scheiße!«
Er warf sich über mich, riss mich zu Boden, gerade als ich spürte, wie Feuerzungen an meinen Waden leckten. Während er auf die Flammen an meinem Rücken einschlug, drehte ich mich weit genug, um zu sehen, dass auch mein Rocksaum Feuer gefangen hatte. Ich warf mich gegen die Wand, aber die schnelle Bewegung fachte die Flammen nur noch an. Cortez hielt mich zurück und schlug das Feuer mit den Händen aus. Dann nahm er mir den Rucksack aus der Hand.
»Ich hab sie«, sagte er. »Sieh dich nicht um. Einfach weiter vorwärts.«
Ich machte mich auf den Weg. Der hintere Teil des Hauses stand in Flammen. Feuerzungen leckten quer durch die Räume nach vorn, und als ich am Wohnzimmer vorbeikam, sah ich, wie die Vorhänge Feuer fingen. Ich atmete durch den Mund und arbeitete mich voran, zwang mich dazu, über die kleinen Flammennester hinwegzukriechen, die mir im Weg waren. Im Vorraum hielt ich inne und sah mich nach Cortez um. Er winkte mich weiter. Ich kroch weiter bis zur offenen Haustür und fiel ins Freie.
Ein Mann in Uniform fing mich auf und hielt mir ein Tuch vor Mund und Nase. Ich atmete einen tiefen Zug von etwas Kaltem, Metallischem ein und packte den Mann am Arm, versuchte ihm begreiflich zu machen, dass ich ohne Unterstützung atmen konnte. Über mir verschwamm sein Gesicht. Ich drehte mich um, um nach Cortez hinter mir zu sehen. Ich sah die offene Tür und den leeren Gang. Dann gaben meine Gliedmaßen nach, und alles wurde schwarz.
Pauschalangebot
I ch wachte mit Kopfschmerzen auf, die sich anfühlten, als arbeitete ein Meißel hinter meinen Augen. Als ich den Kopf hob, schoss mir die Galle in den Mund, und ich krümmte mich zusammen und würgte und spuckte. Jedes Mal, wenn ich mich aufzurichten versuchte, zwang mich die Übelkeit wieder nach unten. Irgendwann gab ich es auf und ließ mich zusammensinken.
Wo war ich eigentlich? Als ich die Augen öffnete, sah ich nichts als Dunkelheit. Das Letzte, woran ich mich erinnerte, war, wie ich neben Cortez eingeschlafen war. Einzelne alptraumhafte Blitze
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