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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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ungern zur Schule gehen lassen. Glücklicherweise war es Samstag, und so stellte sich die Frage gar nicht erst. Nach dem Mittagessen ging sie hinunter in den Keller, um zu malen. Ja, ich weiß, die meisten Künstler mögen große luftige Ateliers mit natürlichem Licht und beruhigender Stille. Nicht so Savannah. Sie mochte das halbdunkle Souterrain und dröhnende Musik.
    Als es an der Tür klingelte, vermutete ich zunächst, es wäre ein unternehmungslustiger Reporter, der es mit einer direkteren Methode versuchte als mit einem Anruf. Ich ignorierte das Klingeln und räumte weiter die Spülmaschine aus. Es klingelte wieder. Jetzt ging mir auf, dass es auch die Polizei sein konnte, die weitersuchen wollte. Das Letzte, was ich jetzt noch brauchte, war, dass die Bullen meine Haustür aufsprengten; sie hatten schon genug Schaden angerichtet.
    Ich rannte zur Haustür, hob die Schutzformeln auf und riss die Tür auf. Was ich sah, war ein junger Mann. Er war ungefähr eins achtzig groß und dünn, mit einem so durchschnittlichen Gesicht, dass man sich wahrscheinlich fünf Minuten,nachdem man ihm begegnet war, nicht mehr an ihn erinnern konnte. Kurzes dunkles Haar, glatt rasiert, hispanischer Abstammung. Wahrscheinlich dunkle Augen hinter der Drahtbrille, aber er sah mir nicht ins Gesicht. Er stand da, den Blick gesenkt, und umklammerte einen Arm voll Papiere; über einer Schulter hatte er eine zerschrammte Tasche. Oh, und habe ich erwähnt, dass er einen Anzug trug? An einem Samstag? Wunderbar. Genau das, was mir noch gefehlt hatte – ein Zeuge Jehovas.
    »Lucas Cortez«, sagte er, während er die Papiere in den linken Arm wechselte und die rechte Hand ausstreckte. »Ihr neuer Rechtsbeistand.«
    »Wissen Sie, ich habe wirklich keinerlei Interesse –« Ich unterbrach mich. »Haben Sie gerade Rechtsbeistand gesagt?«
    »Von jetzt an werde ich Ihren Fall übernehmen, Ms. Winterbourne.« Trotz des gesenkten Blicks klang seine Stimme selbstsicher. »Wir sollten hineingehen.«
    Er schob sich an mir vorbei, ohne auf eine Einladung zu warten. Während ich noch verdattert dastand, zog Cortez die Schuhe aus, ging ins Wohnzimmer und musterte die Einrichtung, als schätzte er meine Fähigkeit ab, ihn für seine Dienste zu bezahlen.
    »Ich gehe davon aus, dass die Unordnung von der Hausdurchsuchung herrührt«, sagte er. »Das ist inakzeptabel. Ich werde mit der Polizei darüber sprechen. Ich gehe davon aus, dass sie einen Durchsuchungsbefehl hatten? Ah, da ist er ja.« Er nahm den Durchsuchungsbefehl vom Sofatisch, fügte ihn seinen übrigen Papieren hinzu und ging weiter in die Küche.
    »Einen Moment«, sagte ich, während ich hinter ihm herrannte. »Sie können den nicht einfach mitnehmen.«
    »Haben Sie einen Kopierer?«
    Als ich in die Küche kam, hatte er sich schon am Tisch eingerichtet, mein Zeug zur Seite geschoben und damit begonnen, seine Papiere auszubreiten.
    »Ich trinke den Kaffee schwarz.«
    »Sie können den Kaffee unten im Donutladen trinken, wenn Sie mir nicht sagen, wer Sie hergeschickt hat.«
    »Sie brauchen einen Rechtsbeistand, oder nicht?«
    Ich zögerte. »Oh, jetzt verstehe ich – niemand hat Sie hergeschickt. Wie nennt man Ihre Sorte doch gleich? Rettungswagenjäger? Sind Sie einer von diesen Anwälten, die zu jedem Unfallort rennen, um sich die Schadenersatzklagen zu sichern? Ich bin nicht interessiert. Und wenn Sie versuchen sollten, mir diesen Besuch in Rechnung zu stellen –«
    »Ich werde nichts dergleichen tun. Dieser Besuch ist vollkommen kostenfrei. Eine Kostprobe meiner Dienste. Ich habe mir erlaubt, mich mit Ihrem Fall vertraut zu machen, und eine Strategie zu Ihrer Verteidigung entwickelt.« Er schob zwei Papiere über den Tisch und drehte sie, so dass ich sie lesen konnte. »Sie sehen, dies ist ein einfacher Vertrag des Inhalts, dass Sie sich, indem Sie heute mit mir sprechen, in keiner Weise verpflichten, meine Dienste in Anspruch zu nehmen, und dass Ihnen dieser Besuch nicht in Rechnung gestellt werden wird.«
    Ich überflog den Vertrag. Für ein juristisches Dokument war er erstaunlich klar gehalten – einfach nur eine Erklärung, derzufolge ich mich bei diesem ersten Treffen zu absolut nichts verpflichtete.
    Ich warf einen Blick auf Cortez, der dabei war, den Durchsuchungsbefehl zu lesen. Er konnte nicht älter sein als Ende zwanzig, kam wahrscheinlich gerade von der juristischenFakultät. Ich war einmal mit einem frisch zugelassenen Anwalt ausgegangen und wusste, wie schwierig es sein

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