Nacht der Hexen
in einem Aktenordner ab und stellte ihn unter »H« ins Regal. Als ich mit dem Sortieren fertig war, war ich einigermaßen stolz darauf, wie ruhig und kompetent ich mit dem Ganzen umging. Über zwei Dutzend Faxe und E-Mails, die meine Seele der ewigen Verdammnis anheim gaben, und meine Hände zitterten kaum.
Als Nächstes machte ich den unglaublich dummen Fehler, im Internet nach Hinweisen auf meine Geschichte zu suchen. Ich sagte mir, ich müsste wissen, was da draußen so geredet wurde. Nach der ersten Schlagzeile –
Satanischer Hexenkult bei Salem aufgedeckt
– hätte ich es wirklich aufgeben sollen. Von den drei Artikeln, die ich überflog, erwähnten zwei das Gerücht mit dem »vermissten Bostoner Baby«, einer behauptete, ich hätte mich in der Nähe des örtlichen Tierschutzvereins herumgedrückt, in zweien stand, ich sei Mitglied eines »Hellfire Club« in Boston, und in allen dreien, man habe mich »blutüberströmt« am Schauplatz des Mordes an Cary angetroffen. Danach kam ich zu dem Schluss, dass Unwissenheit eben doch glücklich macht, und schaltete den Computer aus.
Inzwischen war es zehn Uhr fünfzehn und somit Zeit, eine Kanne Kaffee für Cortez zu machen. Als ich mit dem Messlöffel Kaffee in den Filter schüttete, klingelte das Telefon. Ich warf einen Blick aufs Display. Unbekannter Anrufer. Drangehen oder nicht drangehen? Ich entschied mich für das Letztere, ließ die Hand aber über dem Knopf hängen für den Fall, dass sich eine freundliche Stimme meldete.
»Ms. Winterbourne, hier spricht Julie von der Firma Bay Insurance …«
Versicherung? War ich bei einer Versicherung namens – nein, Moment, Bay Insurance war ein neuer Kunde. Als die Stimme fortfuhr, drückte ich auf den Sprechknopf, aber das Band lief weiter.
»… den Auftrag stornieren. Angesichts der, äh, öffentlichen Aufmerksamkeit sind wir zu dem Schluss gekommen, dass dies wohl am besten ist. Bitte stellen Sie uns die Arbeit, die Sie bisher getan haben, in Rechnung.«
»Hallo?«, sagte ich. »Hallo?«
Zu spät, sie hatte aufgelegt. Ich hatte einen Auftrag verloren. Ich schloss die Augen, holte tief Luft, spürte den Stich. Warum war ich darauf nicht vorbereitet gewesen – dass sich das Ganze auch beruflich auswirken würde? Aber darüber durfte ich mir jetzt keine Gedanken machen. Wenn sie meine Dienste nicht wollten, sollten sie eben zum Teufel gehen. Es war ja nicht so, als ob ich Schwierigkeiten hätte, Kunden zu finden. Einbis zweimal pro Woche musste ich Arbeit ablehnen, weil ich schon zu viel zu tun hatte. Und außerdem, sicher, ich verlor über alldem vielleicht ein paar Aufträge, aber vielleicht gewann ich ja auch welche.
Während ich auf den Kaffee wartete, beschloss ich, den Rest der Nachrichten auf dem Anrufbeantworter durchzugehen. Und wie zur Bestätigung stieß ich drei Anrufer später auf diese Mitteilung: »Hi, hier spricht Brock Summers aus Boston. Ich arbeite für die New England Perception Group, und wir würden uns freuen, wenn Sie sich unserer Website annehmen könnten …«
Vielleicht stimmt die alte Weisheit eben doch: Es gibt keine schlechte Publicity.
»… haben schon eine Internetpräsenz«, fuhr Mr. Summers fort, »aber wir wären sehr interessiert, wenn Sie einige Verbesserungen vornehmen könnten. Ich habe Ihre Arbeit gesehen und kenne eine Reihe von Leuten in unserer Branche, die ebenfalls interessiert wären …«
Das klang gut. Das klang wirklich gut.
»… bitte werfen Sie einen Blick auf unsere derzeitige Website unter www.exorcisms’r’us.com . Alles hintereinander weg, e-x-o-r-c-i-s-m-s-r-u-s. Wir bieten Séancen, Poltergeist-Austreibungen, selbstverständlich Exorzismen –«
Ich drückte die Löschtaste und ließ mich auf einen Küchenstuhl fallen.
»Äh, Paige?«
Savannah stand in der Küchentür, das Fernglas in der Hand und einen etwas verstörten Ausdruck im Gesicht. Sie warf einen Blick über die Schulter, zum vorderen Fenster hin.
»Lass mich raten – wir haben neues Gartendekor.«
Sie lächelte nicht. »Nein, das ist es nicht – ja, okay, schon, aber die sind schon seit einer ganzen Weile da. Ich hab rausgeschaut, weil ich wissen wollte, wie viele es sind. Dann vor ein paar Minuten hab ich gedacht, ich hätte weiter hinten auf der Straße eine Frau mit roten Haaren stehen sehen, also hab ich mir das Glas geholt, um nachzusehen.«
Ich sprang von meinem Stuhl hoch. »Leah.«
Savannah nickte und spielte mit dem Fernglas herum. »Ich hab sie beobachtet –«
»Du
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