Nacht der Leidenschaft
Und Amanda schien bereit, einen brandneuen Fortsetzungsroman für seine Verlagsabteilung zu schreiben.
Leider hatte Jack die Freude an vielen Dingen des Lebens verloren. Geld war ihm gleichgültig geworden, er brauchte es nicht. Längst hatte er mehr erworben, als er in einem Leben ausgeben konnte.
Als der mächtigste Verleger und Buchhändler Londons hatte er großen Einfluss auf den Vertrieb anderer Verlagshäuser gewonnen, sodass er hohe Rabatte forderte, wenn man ihm ein Buch anbot. Und er zögerte nicht, von diesem Vorteil Gebrauch zu machen – was ihm noch mehr Reichtum einbrachte, wenn auch keine Bewunderung.
Jack wusste, dass man ihn als Giganten der Verlegerwelt bezeichnete, eine Anerkennung, für die er lange und hart gearbeitet hatte. Aber seine Arbeit hatte keine Macht mehr über ihn. Auch verfolgten ihn die Geister seiner Vergangenheit nicht mehr. Die Tage zogen sich in einem dichten grauen Nebel dahin. Noch nie in seinem Leben war es ihm so ergangen. Gefühle, sogar Schmerzen, berührten ihn nicht. Wenn ihm nur jemand zeigte, wie er aus dieser erdrückenden Melancholie ausbrechen konnte!
„Nur ein Fall von ennui, mein Junge“, erklärte ihm ein adliger Freund süffisant und gebrauchte den Ausdruck der gehobenen Mittelschicht für schleichende Langweile. „Gut für dich – ein handfester Fall von ennui ist heutzutage in Mode. Du wärst kein bedeutender Mann, wenn du es nicht hättest. Suchst du Abwechslung, so musst du in einen Club gehen. Trinken, Kartenspielen, leichte Mädchen. Oder als Kulissenwechsel eine Reise auf den Kontinent.“
Dies alles würde ihm verdammt wenig helfen, sinnierte Jack. Wie in einem Gefängnis hockte er in seinem Büro, handelte artig geschäftliche Vereinbarungen aus, setzte Verträge auf, starrte auf einen Stapel neuer Akten, die genauso aussahen wie die vom letzten Monat und vom Monat davor und wartete ungeduldig auf Nachrichten von Amanda Briars.
Wie ein treuer Jagdhund trug Fretwell ihm kleine Brocken zu, wenn er sie aufschnappte … dass Amanda mit Charles Hartley in der Oper gesehen wurde oder dass Amanda die Teegärten besucht und sehr hübsch ausgesehen hatte. Auch die unbedeutendste Information beschäftigte ihn, und er verfluchte sich, dass ihm jedes Detail ihres Lebens so wichtig war. Aber Amanda war das Einzige, was seinen Puls wieder schneller schlagen ließ.
Ausgerechnet er, der für seinen unersättlichen Lebenshunger berüchtigt war, schien sich jetzt an den eher geruhsamen gesellschaftlichen Aktivitäten einer ledigen Romanschriftstellerin zu ergötzen.
Als er eines Morgens besonders lustlos aufwachte und zu unruhig und erschöpft war, um sich an seinen Schreibtisch zu setzen, beschloss er, dass ihm körperliche Arbeit gut tun würde. In seinem Büro würde er heute nicht viel erledigen können, aber in dem Verlagsgebäude gab es auch anderswo genügend Arbeit. Der Stapel von Manuskripten und Verträgen würde warten müssen. Heute wollte er Kisten neu gebundener Bücher verladen, die zu einem Schiff am Hafen transportiert werden sollten.
Er zog das Jackett aus. In Hemdsärmeln wuchtete er die Holzkisten auf die Schultern und trug sie die langen Treppenschluchten hinunter zum Erdgeschoss. Obwohl die Lagerarbeiter anfangs ein wenig entnervt waren, als sie den Besitzer von Devlin’s bei dieser niederen Arbeit sahen, verloren sie angesichts der Schweiß treibenden Plackerei rasch ihre Bedenken.
Nachdem Jack mindestens ein halbes Dutzend Mal schwere Bücherkisten von fünften Stock zu den Wagen getragen hatte, der im Hof des Gebäudes bereit stand, hatte Oscar Fretwell ihn endlich ausfindig gemacht.
„Devlin“, rief er aufgeregt. „Mister Devlin, ich … Es verschlug ihm die Sprache, als er sah, wie Jack eine Kiste auf den Wagen lud. „Devlin … darf ich fragen, was das soll? Es besteht keine Veranlassung, dass Sie dergleichen tun – mein Gott, wir stellen doch genügend Männer zum Kistenschleppen und Aufladen ein!“
„Ich habe es satt, andauernd an diesem verdammten Schreibtisch zu sitzen“, sagte Jack barsch. „Ich wollte mir die Beine vertreten.“
„Ein Spaziergang im Park hätte es auch getan“, murmelte Fretwell. „Ein Mann in Ihrer Position verlegt sich nicht auf Lagerarbeiten.“
Jack lächelte leicht und wischte sich mit dem Hemdsärmel die feuchte Stirn ab. Es tat gut, zu schwitzen, die Muskeln zu trainieren und körperliche Arbeit zu verrichten, bei der man nicht nachdenken musste.
„Ersparen Sie mir die
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