Nacht der Leidenschaft
bekomme die Chance, Vater zu sein, und, bei Gott, ich werde sie ergreifen.“
Amanda betrachtete ihn schweigend. Dann entrang sich ihr ein unfreiwilliges Lachen. „Sie überraschen mich, Charles.“
„Sie haben mich überrascht“, gab er zurück~ und sein Bart teilte sich zu einem Lächeln. „Bitte denken Sie nicht zu lange über meinen Antrag nach – es wäre nicht sehr schmeichelhaft.“
„Wenn ich zustimme“, sagte sie unsicher, „dann würden Sie dieses Kind für Ihr eigenes erklären?“
„Ja – unter einer Bedingung. Sie müssen Devlin vorher die Wahrheit sagen. Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, einem anderen Mann die Chance zu stehlen, sein eigenes Kind anzuerkennen. Wenn das, was Sie von ihm sagen, wahr ist, dann wird er uns gewiss keine Schwierigkeiten bereiten. Er wird sogar froh sein, aller Verpflichtungen Ihnen und dem Kind gegenüber entbunden zu sein. Aber wir dürfen unsere Ehe nicht mit einer Lüge beginnen.“
„Ich kann es ihm nicht sagen.“ Amanda schüttelte energisch den Kopf. Sie konnte sich seine Reaktion schwer vorstellen. Würde er verärgert sein? Sie beschuldigen? Ihr grollen oder sich über sie lustig machen? Oh, eher würde sie auf dem Scheiterhaufen verbrennen, als ihm die Nachricht von seinem ungeborenen Bastard überbringen!
„Amanda“, sagte Charles leise, „es ist möglich, dass er es eines Tages herausfindet. Sie können doch nicht mit dem Damoklesschwert über Ihrem Kopf leben. Sie müssen mir vertrauen, wenn ich Ihnen sage, dass es das Richtige ist, ihm von dem Kind zu erzählen. Danach haben Sie nichts mehr von Devlin zu befürchten.“
Unglücklich schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß nicht, ob es uns allen gegenüber gerecht ist, wenn ich Sie heirate, und ich bin mir nicht sicher, ob es das Richtige ist, wenn Jack über das Kind Bescheid weiß. Oh, wenn ich nur wüsste, was ich tun soll! Ich war mir immer so sicher, die richtige Wahl zu treffen … Ich dachte immer, ich wäre so klug und praktisch. Ich hatte mir eingebildet, charakterlich integer zu sein. Und nun stehe ich vor einem Trümmerhaufen, und…“
Charles unterbrach sie mit einem glucksenden Lachen. „Was wollen Sie, Amanda? Die Wahl ist einfach. Sie können ins Ausland gehen, unter Fremden leben und Ihr Kind ohne Vater aufziehen. Sie können aber auch in England bleiben und einen Mann heiraten, der Sie achtet und liebt.“
Amanda blickte ihn zögernd an. Wenn man das Problem derart vereinfachte, war es nicht schwer, die richtige Wahl zu treffen. Ein sonderbares Gefühl der Erleichterung mischte sich in ihr mit Schicksalsergebenheit und Verzicht.
Ihre Augen brannten. Charles Hartley war stark und ruhte in sich. Ein angeborener moralischer Kompass ließ ihn unbeirrt seinen Weg gehen. Er erstaunte sie aufs Neue. „Ich hatte keine Ahnung, dass Sie so überzeugend sein können, Charles“, sagte sie mit einem leisen Schniefen, und sein Gesicht hellte sich lachend auf.
Vier Monate waren vergangen, seitdem Jack Eine unvollkommene Frau in Fortsetzungen herausbrachte. Die Folgen waren eine Sensation geworden. Das Geschrei auf der Paternoster Row nördlich von St. Pauls war jeden Monat am Erscheinungstag der Zeitschriften geradezu ohrenbetäubend. Die Vertreter der Buchhändler wollten nur eins – die neueste Ausgabe von Eine unvollkommene Frau.
Die Nachfrage überstieg Jacks Schätzungen, die mehr als optimistisch gewesen waren. Der Erfolg von Amandas Fortsetzungsroman mochte der ausgezeichneten Qualität des Romans zugeschrieben werden, der bestechenden, zweideutigen Moral seiner Heldin oder auch der Tatsache, dass Jack für eine große Publicity gesorgt und gezahlt hatte, einschließlich einer Anzeigenwerbung in nennenswerten Londoner Zeitungen.
Bestimmte Artikel, die im Zusammenhang mit dem Roman standen, kamen jetzt auf den Markt, wie zum Beispiel ein Eau de Cologne mit dem Namen ‚Unvollkommene Frau rubinrote Handschuhe“, ähnlich denen, welche die Heldin trug, oder rote Seidenschals, die man um den Hals schlang oder als wehendes Band am Hut trug. Bei Tanzveranstaltungen der Schickeria von London wurde der ‚Walzer der unvollkommenen Frau‘ am häufigsten verlangt. Ein begeisterter Anhänger Amandas hatte ihn komponiert.
Ich sollte mich darüber freuen, sagte sich Jack. Schließlich machten er und Amanda ein Vermögen. Zweifellos würde sich das zusammenhängende Buch, wenn er es in einem gefälligen Format in drei Bänden herausbrachte, ebenso gut verkaufen.
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