Nacht der Leidenschaft
„Hast du mir nicht etwas zu sagen?“
„Wie bitte?” Amanda schüttelte verwundert den Kopf. „Es überrascht mich, Sie heute Abend hier zu sehen. Sie hatten doch heute Morgen verkündet, Sie würden nicht kommen. Wieso …“
„Ich wollte dir und Hartley alles Gute wünschen.“
„Oh. Sehr freundlich von Ihnen.“
„Hartley meinte das auch. Ich habe soeben mit ihm geredet.“
Ein unbehagliches Gefühl fuhr ihr durch die Glieder, als sich die mächtige Gestalt über sie beugte. Sie biss die Zähne aufeinander, damit sie nicht klapperten. Ihr Körper ahnte, was ihr Verstand noch nicht begreifen wollte.
„Worüber habt ihr geredet?“
„Du darfst raten.“ Als Amanda starrsinnig schwieg und in dem dünnen Kleid wie Espenlaub zitterte, streckte er ihr die Arme entgegen und sagte knurrend: „Du kleiner Feigling.“
Sie war zu überrascht, um ihm auszuweichen, und wurde stocksteif, als er einen Arm um sie legte, ihr – ohne auf ihre Frisur zu achten – mit der anderen Hand ins Haar griff und sie zwang, den Kopf zu heben. Sie schnappte nach Luft und versuchte sich zu befreien, aber sein Mund legte sich hungrig auf ihre Lippen. Amanda wollte ihn von sich stoßen, auch wenn sein Kuss bereits wieder die unglückselige Flamme der Leidenschaft entfacht hatte. Ihr Körper antwortete ihm, als ob er gegen jegliches Scham- und Vernunftgefühl gefeit wäre.
Seine warmen, saugenden Lippen waren köstlich.
Keuchend riss sie sich von ihm los, taumelte einen Schritt zurück und versuchte mühsam das Gleichgewicht zu halten. Die Backsteinmauer dicht hinter ihr machte ein weiteres Ausweichen unmöglich.
„Du bist wahnsinnig“, flüsterte sie, während ihr das Herz schmerzhaft bis zum Hals pochte.
„Amanda“, sagte er heiser und strich ihr mit den Händen über die Arme, woraufhin sie unter der dünnen, himmelblauen Seide erschauerte. „Amanda, du erzählst mir jetzt auf der Stelle, was du mir heute Morgen in meinem Büro sagen wolltest.“
„Geh weg. Es könnte uns jemand sehen. Charles kommt gleich zurück und er …“
„Er ist bereit, die Bekanntmachung eurer Verlobung auf den späten Abend zu verlegen, damit wir uns vorher aussprechen können.“
„Worüber?“, schrie sie und schob seine Hände weg. Verzweifelt versuchte sie Unwissenheit vorzutäuschen. „Ich habe keine Lust, irgendetwas mit dir zu besprechen, schon gar nicht wegen eines alten Techtelmechtels, das jetzt bedeutungslos ist!“
„Mir bedeutet es etwas.“ Eine große Hand legte sich Besitz ergreifend auf ihren Bauch. „Vor allem in Anbetracht des Kindes, das du unter dem Herzen trägst.“
Amanda wurde übel vor Schuld und Furcht. Nach Halt suchend, wäre sie jetzt am liebsten wie ein Hafersack an ihn gesunken. „Charles hätte es dir nicht sagen dürfen.“ Sie berührte seine Brust, die sich ebenso hart und unnachgiebig anfühlte wie der Mörtel und die Backsteine hinter ihr. „Ich wollte nicht dass du es erfährst.“
„Ich habe ein Recht darauf, verdammt noch mal!“
„Es ändert nichts. Ich werde ihn trotzdem heiraten.“
„Einen Teufel wirst du!“, sagte er grob. „Wenn du diese Entscheidung allein getroffen hättest, so hätte ich nichts eingewendet. Aber jetzt hat sich die Situation geändert, es ist noch jemand dazugekommen – mein Kind. Wenn es um seine Zukunft geht, habe ich sehr wohl ein Wörtchen mitzureden.“
„Nein“, wisperte sie erregt. „Nicht, wenn ich beschlossen habe, dass es für mich und das Baby das Beste ist. Du. … du kannst mir nicht geben, was Charles mir gibt. Mein Gott, du magst nicht einmal Kinder!“
„Und ich werde mein eigenes Kind nicht im Stich lassen.“
„Du hast keine Wahl!“
„Wie bitte?” Er packte sie bei den Armen. „Hör mir jetzt gut zu“, sagte er in einem Ton, dass sich ihr die Haare im Nacken sträubten. „Bevor diese Angelegenheit nicht geklärt ist, wird es keine Verlobung zwischen dir und Hartley geben. Ich warte vor dem Haus in meiner Kutsche auf dich. Wenn du nicht in genau fünfzehn Minuten erscheinst, komme ich wieder und trage dich hinaus. Wir können dieses Haus unauffällig verlassen oder eine Szene machen, über die man sich morgen in ganz London den Mund zerreißen wird. Die Entscheidung liegt bei dir.“
Noch nie hatte er so zu ihr gesprochen. Seine Stimme schien mit Stahl unterlegt zu sein. Amanda blieb nichts anders übrig, sie glaubte ihm aufs Wort. Sie wollte toben und ihre Wut hinausschreien. Dann aber war sie den Tränen nahe,
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