Nacht der Leidenschaft
geneigtem Kopf betrachtete ihn der Anwalt nachdenklich. „Der Earl war ein sehr komplizierter Mensch. Er hatte alles auf der Welt, was man sich wünschen konnte, und doch schien dem armen Mann das Talent zum Glücklichsein zu fehlen.“
Die Bedeutung dieser Worte riss Jack vorübergehend aus seiner Verbitterung. „Braucht man ein besonderes Talent, um glücklich zu sein?“, fragte er und starrte auf das Whiskeyglas.
„Das glaube ich, ja. Ich bin mit einem Pächter Ihres Vaters bekannt, der in einem armseligen, kleinen Steinhaus mit Lehmboden lebt, und doch erstaunt es mich immer wieder, dass er dem Leben mehr Freude abgewinnt, als Ihr Vater es je vermochte. So bin ich zu dem Schluss gekommen, dass einem die Voraussetzungen zum Glücklichsein nicht in den Schoß fallen, sondern dass man sie sich selbst schaffen muss.“
Jack zuckte bei dieser Betrachtung mit den Achseln. „Dazu kann ich nichts sagen.“
Die beiden Männer schwiegen eine Weile, bis sich Mr. Tode räusperte und aufstand. „Ich wünsche Ihnen alles Gute, Mr. Devlin. Ich darf mich jetzt von Ihnen verabschieden … Die Erbschaftsunterlagen werde ich Ihnen so bald wie möglich übersenden.“ Dann wartete er einen Augenblick sichtlich verwirrt ab, bevor er hinzufügte: „Ich fürchte, es lässt sich nicht diplomatisch umschreiben … aber die ehelichen Kinder des Earls hatten mich gebeten, Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass sie nicht mit Ihnen in Verbindung treten möchten. Das heißt also, dass die Beerdigung …“
„Keine Sorge. Ich werde nicht anwesend sein“, fügte Jack mit einem hässlichen Auflachen hinzu. „Sie können meinen Halbschwestern und -brüdern mitteilen, dass ich genauso wenig Interesse für sie liege wie sie für mich.“
„Ja Mr. Devlin. Falls ich Ihnen behilflich sein kann, dann lassen Sie es mich umgehend wissen.“
Nachdem der Anwalt gegangen war, stand Jack auf und ging unruhig auf und ab. Der Whiskey war ihm zu Kopf gestiegen – anscheinend hatte er seine Toleranzgrenze für dieses Getränk überschritten. Sein Kopf schmerzte. Er fühlte sich leer, hungrig und müde. Ein bitteres Lächeln huschte über sein Gesicht. Heute war bereits die Hölle los gewesen und der Vormittag war noch nicht vorbei.
Er hatte das sonderbare Gefühl, aus seiner Vergangenheit wie Zukunft herausgetreten zu sein und irgendwo außerhalb seines eigenen Lebens zu stehen. Jack listete sämtliche Gründe auf, zufrieden zu sein. Er hatte Geld, einen bedeutenden Verlag, Land, und jetzt hatte er einen Familienbesitz geerbt, ein Geburtsrecht, das einem legitimen Erben zustand und nicht einem Bastard. Er sollte hoch zufrieden sein.
Aber all dies bedeutete ihm nichts. Er wollte nur eins – Amanda Briars im Bett haben. Heute Nacht und jede Nacht.
Er wollte sie besitzen und von ihr besessen werden.
Wahrscheinlich war Amanda das Einzige, das ihn davor bewahren würde, einmal wie sein Vater zu enden. Reich, herzlos und gemein. Wenn er sie nicht haben konnte … wenn er das restliche Leben damit verbringen musste, zuzusehen, wie sie an Charles Hartleys Seite alt wurde …
Jack fluchte gotteslästerlich und kreiste immer schneller und aufgeregter um den Schreibtisch her-um, wie ein Tiger im Käfig. Amanda hatte für sich die beste Wahl getroffen. Hartley würde sie niemals anstiften, etwas Undamenhaftes oder Unkonventionelles zu tun. Er würde sie in bequeme, watteähnliche Schicklichkeit einhüllen, und in kurzer Zeit würde diese impulsive Frau, die sich einmal einen Prostituierten zu ihrem Geburtstag bestellt hatte, unter dicken Schichten der Achtbarkeit begraben werden.
Jack blieb am Fenster stehen und stützte die Hände auf dem kühlen Sims ab. Grollend gab er zu, dass es für Amanda weit besser war, einen Mann wie Hartley zu heiraten. Auch wenn es ihm noch so schwer fiel, wollte er seine eigenen, selbstsüchtigen Wünsche unterdrücken und mehr an sie als an sich denken. Auch wenn es sein Tod war wollte er die Verbindung gutheißen und ihnen beiden Glück wünschen. Amanda sollte nie erfahren, was sie ihm bedeutete.
Amanda lächelte ihren Zukünftigen an. „Um wie viel Uhr sollst du die Verlobung bekannt geben, Charles?“
„Talbot hat mir bezüglich der Zeit freie Hand gelassen. Ich dachte, vielleicht warten wir, bis getanzt wird, und dann tanzen wir den ersten Walzer als Verlobte.“
„Das klingt wunderbar” Amanda versuchte das unruhige Gefühl in der Magengegend zu ignorieren.
Sie standen auf einem der
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