Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
Erste, auf den ich losging, war unbewaffnet. Das war auch gut so, denn ich konnte an keinerlei Waffen herankommen. Es war eine Frau mittleren Alters mit kurzen Beinen. Ihre Haare waren blondiert, und man sah den dunklen Haaransatz, ihre Haut hing schlaff an den Wangen herunter. Sie presste ihre dreckigen und abgekauten Fingernägel in meine Schulterblätter, während sie mich an sich zog. Sie wollte mich beißen.
Wohl kaum. Trotz des immensen Drucks auf meinen Schultern hob ich die Arme und griff nach ihrem Kopf und versuchte, ihre Ohren zu erwischen, irgendetwas zu tun, um sie abzulenken. Ich zog kräftig. Bevor sie begriff, was passiert war und mich losließ, hielt ich ihre blutigen Haare in den Händen. Sie stolperte zurück, und als sie mich ein zweites Mal angriff, sah ich, dass ihre Augen leer waren. Ohne wirklich zu verstehen, warum ich es tat, hielt ich einen der Holztische vor mich in die Höhe, auf denen Nathan bisher seine metaphysischen Waren feilgeboten hatte. Die Frau drehte sich, um mich zu attackieren, erwischte aber nur mein Handgelenk, sodass ich den Tisch fallen lassen musste. Aber ihre schlappen Beine gaben unter der Bewegung nach, und sie stürzte rücklings auf die nach oben weisenden Tischbeine. Ach, vergiss es, dachte ich mir und stürzte mich auf sie, um sie mit aller Wucht auf die Tischbeine zu drücken. Sofort lockerte sich ihr Griff, und ich stolperte wieder auf die Füße, bevor ein anderer sich auf mich stützten würde und mich unweigerlich pfählte. Die Blonde stand nicht mehr auf, doch sie sperrte ihren Mund noch abwechselnd auf und zu, ihr Körper zuckte. Eines der quadratischen Tischbeine stach aus der Stirn auf Höhe der Nasenwurzel hervor, ein anderes ragte aus ihrem Bauch. Das Ende des Tischbeines, das in ihrem Gesicht steckte, war mit rauen grauen Knochenstückchen und Fleisch verschmiert. Es sah klebrig aus.
Ich spürte, wie mir im Hals die Galle hochstieg. Ich drehte mich um, um nicht länger hinschauen zu müssen, als ich von starken Armen ergriffen wurde. Diese Attacke war nicht so elegant. Wer auch immer es war, der mich festhielt, er hob mich über seinen Kopf und schleuderte mich in eine Ecke.
Noch bevor ich einschlug, sah ich die zerborstene Decke der Verkaufsvitrine. Doch zu spät. Ich flog durch das Glas und spürte auf meiner Haut die tausend Nadelstiche der Scherben, die um mich herumflogen. So hatte ich aber eine Waffe, als ich wieder auf die Füße kam, und das war mein Vorteil. Das Glas hatte meine Handflächen zerfetzt undsorgte dafür, dass mir das Blut die Arme hinabrann. Aber Waffe bleibt Waffe. Und als die Kreatur, die mich umgeworfen hatte, wieder auf mich zukam, um ihren Job zu beenden, stieß ich ihr eine riesige Scherbe unter den Rippenbogen in den Körper und riss sie mit ganzer Kraft nach oben, wohlgemerkt Gefahr laufend, dass ich mir dabei selbst die Finger abreißen würde. Erst jetzt sah ich, dass es ein dünner jung aussehender Mann mit fettigen schwarzen Haaren war, die ihm quer über die Augen hingen. Aber man weiß ja, was über sich bewegende Objekte gesagt wird – und was für Auffahrunfälle stimmt, stimmt auch für das Ausweiden von Menschen mit einem Stück zerbrochenem Glas. Das, was sich am schnellsten bewegt, verursacht den größeren Schaden. Der Mann ging zu Boden, in hohem Bogen sprudelte Blut aus seiner Hauptschlagader. Meiner Hand ging es dabei noch relativ gut.
Als ich mich umdrehte, sah ich Bill, wie er mit seiner Pistole auf alles schoss, was sich bewegte. Er hatte einen schlimm aussehenden Schnitt auf seiner Stirn und jemand musste ihn kürzlich in seinen Unterarm gebissen haben. Dennoch bewegte er sich mit der Präzision einer Tötungsmaschine. Ich verwarf meinen Schlachtplan gegen den Souleater. Um ihn zu besiegen, brauchten wir keine Armee. Wir brauchten die Marines.
Max schlug sich auch nicht schlecht. Zu meiner Enttäuschung hatte er sich nicht in einen Werwolf verwandelt, aber er traktierte mit Fäusten den Typen, der ihn zuvor in den Schwitzkasten genommen hatte. Obwohl sein Gegner aussah wie ein Bulle, schien er nicht als Sieger aus dem Kampf hervorzugehen.
Ich wollte mich gerade wieder ins Schlachtgetümmel stürzen, als ich Ziggy sah. Vor schreck gefror mir das Blut in den Adern.
Ziggy war unbewaffnet. Er brauchte auch nichts, um sich zu wehren. Zwischen zwei Augenaufschlägen hatte er eine Frau gegriffen, ihren Kopf zur Seite geknickt und mit seinen Zähnen ihre Kehle aus dem Hals gerissen. Als sie fast sofort
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