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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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Frau auf den Brunnenrand.
    «Sagen Sie, Monika … wie geht es Ihnen in dieser Gruppe – ich meine, abgesehen von den schrecklichen Ereignissen der letzten Tage. Kommen Sie mit den Menschen zurecht?»
    «Ich?!» Monika rutschte ein Stück von Laura weg.
    «Ja, Sie!»
    «Es geht mir nicht besonders gut, wenn Sie das meinen. Ich … es ist das erste Mal, dass ich so eine Gruppe mitmache. Es ist ziemlich … Ach, ich weiß nicht, was ich sagen soll!»
    «Vielleicht sagen Sie es ganz einfach.»
    «Wenn ich hier einfach was sage, dann schäm ich mich jedes Mal. Komm mir total blöd vor!»
    «Aber ich bin keine Therapeutin. Ich bin Ihnen sogar dankbar, wenn Sie sich möglichst klar ausdrücken. Sie brauchen sich kein bisschen zu schämen.»
    Monika schluckte, gab sich dann einen Ruck und sagte:
    «Ich mag bestimmte Sachen sehr: in der Früh meditieren und draußen rumlaufen. Ich tanze auch gern und mag die Körperübungen auch. Aber diese Gruppensitzungen … die machen mich fertig. Das ist … ich weiß nicht, wie ich’s ausdrücken soll. Das ist wie ein schwarzes Loch, wie ein Horrorfilm! Jeder von uns hat so einen Horrorfilm in sich drin. Von außen sieht man gar nichts – aber wenn die Leute aufmachen. Ich … ich hab drüber nachgedacht. Ganz lang! Wenn jeder Mensch so was in sich drin hat, dann … fürcht ich mich. Vor allen Menschen …!»
    «Ja», erwiderte Laura leise, «manchmal kann man auf solche Gedanken kommen. Nur müsste man sich dann auch vor sich selbst fürchten, nicht wahr?»
    «Was?» Die junge Frau runzelte die Stirn, als bereite es ihr Mühe, Lauras Worte zu verstehen.
    «Na ja, wenn Sie sich vor allen Menschen fürchten, dann müssen Sie sich auch vor sich selbst fürchten. Sie gehören doch auch dazu, oder?»
    Monika zog eine neue Zigarette aus der Packung.
    «Es könnte so schön sein», flüsterte sie. «Die ganze Gegend hier und alles, wenn die Menschen nicht wären.»
    «Oje!» Laura lächelte. «Ohne Menschen wäre es hier ziemlich einsam, und es gäbe vielleicht noch mehr Grund, sich zu fürchten!»
    «Ach, Sie haben ja keine Ahnung!» Monika sprang auf, stand mit geballten Fäusten vor Laura und Guerrini, schrie plötzlich. «Keiner hat eine Ahnung! Alle reden nur verdammt schlaue Sachen, die sie wahrscheinlich selbst nicht verstehen!» Sie drehte sich um und rannte über den Hof davon, verschwand hinter dem Nebengebäude, tauchte aber gleich darauf wieder auf, lief zur Veranda hinauf, stolperte und schlug die Tür zum Gruppenraum hinter sich zu.
    «Sie hat wahrscheinlich Katharina Sternheim gesehen», sagte Laura.
    «Was hast du denn gemacht, dass sie so aufgeregt ist?»
    «Unser Gespräch ist in eine philosophische Richtung gegangen. Sie meinte, dass man sich vor allen Menschen fürchten müsse, und ich habe geantwortet, dass man sich dann auch vor sich selbst fürchten muss!»
    Guerrini lächelte.
    «Ich denke, es ist genau andersrum. Wenn man sich vor sich selbst fürchtet, dann fürchtet man sich auch vor den anderen. Es hat was mit Projektionen zu tun, wenn ich mich richtig erinnere.»
    « Dio buono !», stöhnte Laura. «Bist du ein kluges Köpfchen! Aber jetzt lass uns mal alle tiefenpsychologischen und philosophischen Gedanken vergessen. Von unserer Gruppe, die ursprünglich aus acht Personen bestand, sind noch sechs übrig. Keiner dieser sechs hat bisher einen Fluchtversuch unternommen, obwohl einige ziemlich am Ende ihrer Nerven sind. Wir haben mit allen gesprochen, außer mit Susanne Fischer, und jetzt weiß ich auch warum: Sie hat sich auf eine ganz unauffällige Weise entzogen. Sie war einfach nicht da. Und sie ist schon wieder nicht da!»
    «Dann gehen wir sie suchen», antwortete Guerrini. «Sie kann sich ja nicht in Luft aufgelöst haben!»

S ie fingen in Susannes Zimmer an. Es war groß, hoch und hatte ein Fenster nach Norden. Zwei Betten standen drin, eins davon war unberührt und mit einem bunten Baumwolltuch bedeckt. Carolins ehemaliges Bett. Eine Fliege summte am Mückennetz, sonst war es vollkommen still.
    Laura öffnete den alten Schrank. Ein leichter Geruch nach Mottenkugeln stieg auf, in den Fächern lagen kleine Stapel mit Unterwäsche, T-Shirts und Nachthemden. Nach einem kurzen Blick klappte Laura die Tür wieder zu. Eigentlich hatte sie kein Recht, in diesen Schrank zu sehen. Guerrini bückte sich unterdessen neben dem Bett, schaute drunter, hob ein Buch auf.
    « Zen – oder die Kunst des Bogenschießens », buchstabierte er langsam.
    «Keine
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