Nacht ist der Tag: Roman (German Edition)
Kulturhausleiters entfernt hatten, dann ging er ins Bad. Zwanzig Minuten später stand er vor Arnos Schreibtisch wie ein unartiger Schüler, der zum Rektor gerufen worden war. Brauchst du Hilfe?, fragte Arno. Wenn ich irgendetwas tun kann …
Hubert log, er hätte eine Idee, aber er könne noch nichts Genaues sagen.
Wir sind ziemlich unter Druck, sagte Arno, einige Lokalpolitiker sind uns nicht gut gesonnen, wir brauchen einen Leistungsausweis. Es ist wichtig, dass die Ausstellung ein Erfolg wird.
Ich halte dich auf dem Laufenden, sagte Hubert.
Mach einfach irgendwas, sagte Arno, Hauptsache, die Wände sind in drei Wochen nicht weiß.
Hubert frühstückte wieder im Hotel. Dann ließ er sich ein Passwort für das WLAN geben und googelte Gillians Namen. Er bekam ein paar hundert Resultate, aber in fast allen schien es um ihre frühere Fernseharbeit zu gehen. Als er in ihrem Namen Gillian durch Jill ersetzte, bekam er nur noch ein halbes Dutzend Resultate, alle hatten mit ihrer Arbeit im Ferienclub zu tun.
Am Freitag war die Eröffnung der Diplomausstellung an der Kunsthochschule. Hubert hatte Nina und seinen anderen Studenten versprochen, dazuzukommen, aber als er am Morgen das Kulturzentrum verlassen wollte, sah er an der Tür ein großes schwarzes Plakat, auf dem in weißer Schrift carta alba / carte blanche , sein Name und die Daten der Ausstellung standen. Die Vernissage sollte am 25. Juni stattfinden, in genau drei Wochen. Er entschied sich, nicht ins Tal zu fahren, und ging stattdessen ins Hotel und setzte sich in die Lobby. Er schrieb Nina eine E-Mail, in der er sich entschuldigte. Er stehe unter Druck, wisse nicht, was er machen solle, er könne jetzt nicht weg. Bestimmt werde er in den nächsten zwei Wochen in die Stadt kommen, um sich ihre Arbeit anzuschauen.
Als er später am Tag ins Dorf fuhr, um ein paar Lebensmittel einzukaufen, sah er das Plakat seiner Ausstellung in einigen Schaufenstern hängen. Es kam ihm vor, als mache Arno sich über ihn lustig. Den Abend verbrachte er wieder in der Hotellobby, wo er ziellos im Internet surfte.
Am Samstagmorgen telefonierte Hubert mit Astrid. Sie fragte, wie es ihm gehe und ob er mit der Arbeit vorankomme. Er antwortete ausweichend. Sie redeten über ein paar organisatorische Dinge, schließlich fragte Astrid, ob sie und Lukas ihn mal besuchen sollten. Vielleicht komme Rolf ja auch mit. Hubert sagte, im Moment sei es nicht günstig, er müsse sich auf die Arbeit konzentrieren. Dann ließ er sich Lukas geben und fragte ihn, was er gerade mache, aber der Junge war wortkarg und legte bald auf.
Den ganzen Sonntag über war Hubert unruhig. Er hatte die unmöglichsten Ideen für die Ausstellung, dachte daran, mit den alten Dias zu arbeiten, sie an die Wand zu projizieren oder sie vergrößern zu lassen, die ganzen Serien als eine Art Fotoroman. Er könnte Ausschnitte der Fotos machen, Details so weit vergrößern, dass kaum noch zu erkennen wäre, was zu sehen war. Oder sich selbst fotografieren, angezogen oder nackt, bei denselben Tätigkeiten, bei denen er die Frauen gemalt hatte, als ironischer Kommentar zu seiner letzten Ausstellung. Er dachte wieder daran, Hotelgäste zu porträtieren. Oder er würde ein Herbarium anlegen, mit Naturmaterialien arbeiten, einen Steinkreis machen, etwas über die Kraftorte. Sogar an eine Performance dachte er kurz, obwohl ihm das immer widerstrebt hatte. Aber nichts davon interessierte ihn.
Am Nachmittag ging er noch einmal in den Wellnessbereich des Hotels. Um sechs fragte er an der Rezeption nach Jill. Sie ließ ihm ausrichten, sie komme gleich, aber es dauerte noch zehn Minuten, bis sie in der Lobby erschien.
Wir können mit meinem Wagen fahren, sagte sie und lief fast aus dem Hotel.
Sie hatte einen roten Twingo, auf der Rückbank lagen Stapel von Papieren und Kleidungsstücke. Jill fuhr ziemlich schnell die schmale Straße hinauf und über die neue Brücke.
Wohnst du nicht im Dorf?, fragte Hubert.
Ein Stück außerhalb, sagte Jill, es ist nicht weit.
Fünf Minuten später parkte sie den Wagen vor einem Ferienhaus, das aus den fünfziger Jahren stammen musste.
Es ist nicht besonders schön, sagte sie, aber es gehört meinen Eltern, und ich muss keine Miete zahlen.
Wie lange wohnst du schon hier?, fragte Hubert.
Sechs Jahre. Ich bin gleich nach dem Unfall heraufgezogen.
Hubert sagte, er habe damals in der Illustrierten etwas über sie gelesen, was denn genau passiert sei.
Jill stieg aus. Während sie noch vor
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