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Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)

Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angélique Mundt
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Schaumkronen, böiger Wind, rauschende Gischt. Das kann gefährlich sein. Man kann leicht untergehen.«
    »Gabriele Henke hat nie über einen Exmann gesprochen. Erpressung … ich weiß nicht. Sprechen Sie mit der Polizei.«
    »Vielleicht hat sie ihn wieder getroffen?«
    »Das wäre möglich«, entgegnete sie lahm und fragte sich, ob die Idee seiner paranoiden Phantasie entsprungen sein konnte.
    »Sie sind wie eine spiegelglatte See, glitzernd, klare Luft. Man glaubt, man könne bis zum Grund sehen. Aber man täuscht sich. Die See ist viel tiefer und dunkler, als man glaubt. Selbst die Oberfläche ist kaum erfasst«, flüsterte er. »Gabriele hat sich mit jemandem verabredet. Ich habe es gehört.«
    Dachte sie eben noch, dass sie nur müde war, so fühlte sie sich jetzt ausgelaugt bis auf die Knochen. Sie konnte nicht mehr denken und vor allem nicht mehr reden.
    »Gehen Sie, Herr Brömme. Bitte.«
    Er erhob sich wortlos, und Sekunden später hörte Tessa die Haustür ins Schloss fallen.
    Sie wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Ihr war alles zu viel. Ein möglicher Selbstmord. Der Streit mit Neumann. Kommissar Koster. Der grauenhafte Mord an ihrer Patientin! Und jetzt noch ein Patient auf ihrem Sofa. Sie löschte das Licht der Lampe und blieb im flackernden Schein der Kerzen ratlos zurück.
    Torben Koster saß zu Hause auf seinem Balkon. Er hatte sich eine Flasche Weißwein, ein Glas und die Zigaretten mit rausgenommen. Die Zigarette tat gut. Der Wein auch. Jasmin war bereits schlafen gegangen, und die Kinder übernachteten mal wieder bei Freunden. Er sah sie nur noch selten. Es war weit nach Mitternacht. Der Fall forderte ihn nicht nur zeitlich. Er hatte ihn mehr mitgenommen, als er wahrhaben wollte. Die vielen Patienten, mit denen er in der Klinik konfrontiert wurde, irritierten ihn. Der leere Blick des Mädchens auf dem Gang. Kurt Mager mit seinem Waschzwang, der sich schuldig fühlte, weil er glaubte, für seine Familie versagt zu haben. Und dann die Therapeutin, die ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Tessa, Tessa Ravens … Ihm gefiel der Name, er hatte etwas Weiches. Er seufzte leise. Sie hatte etwas in ihm berührt. Schuld und Scham, darum dreht sich alles, hatte sie gesagt. Hatte er sich auch schuldig gemacht? Als Ehemann und Vater? Von der Straße drang schwach ein vereinzeltes Hupen herüber.
    Er hatte seine Familie vernachlässigt. Gemeinsame Aktivitäten waren eine Seltenheit, und Jasmin hatte recht, wenn sie sich beschwerte, dass er seine Kinder zu selten sähe. Inzwischen waren sie mitten in der Pubertät und fanden ihn nur noch peinlich. Wann hatte er den Kontakt zu ihnen verloren? Er hatte es besser machen wollen als seine Eltern mit ihm. Nun stand er an der gleichen Abzweigung, obwohl er auf einem ganz anderen Weg hierhergekommen war. Gab es nur diesen einen Weg? Er schüttelte den Kopf und goss sich ein zweites Glas Wein ein. An der Häuserfront gegenüber öffnete sich ein Fenster, aber hinter dem Vorhang konnte er niemanden sehen.
    Er hatte vorgehabt, heute mit seiner Frau zu reden. Jasmin hatte nicht auf ihn gewartet. Sie wartete schon lange nicht mehr. Auch der letzte Rest Zärtlichkeit war verflogen. Für ihn gab es keine Liebkosung mehr, keine nette Geste oder ein Lachen. Und viel schlimmer: Sie redeten nicht mehr miteinander. Sie gingen sich aus dem Weg. Hatte er sich nicht genug bemüht? Und Jasmin? Er war einmal so stolz auf sie gewesen. Dann hatte sie mit dem Tanzen aufhören müssen, und damit schien langsam etwas in ihr gestorben zu sein. Und auch in ihm.
    Er knöpfte sich die Jacke zu. Trotzdem fror er. Nicht nur wegen der Kälte auf dem Balkon. Dennoch blieb er sitzen und schenkte sich das dritte Glas Wein ein. Er hatte geglaubt, in Jasmin seine Traumfrau gefunden zu haben. Harmonie und Seelenfrieden inklusive. Damit hatte er anscheinend falschgelegen. Jasmin hasste seine Arbeit. Er durfte ihr nicht davon erzählen, konnte sie nicht mehr begeistern. Und sie? Sie hatte sich auch nicht um ihre Ehe gekümmert. Beide hatten sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Er griff nach seinem Glas und stieß dabei an den Tisch. Das Klirren des zersplitternden Glases hallte durch den Innenhof. Scheiße, dachte er.
    Gegenüber ging ein Licht an, doch hinter ihm blieb alles dunkel. Jasmin war nicht aufgewacht.

VIERTER TAG
    Gabriele Henkes Tochter hatte sich für den frühen Vormittag bei Tessa angekündigt. Sie kam mit dem Zug aus Dresden. Koster würde sie am Bahnhof abholen und ins

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