Nacht ohne Erbarmen
– die Liste schien endlos zu sein. Burke ließ jeden von uns seinen gefalteten Tarnanzug zusammen mit der ganzen Ausrüstung bereitlegen und führte dann eine Inspektion durch.
Danach sprach er mit einer Landkarte in der einen und einer Stoppuhr in der anderen Hand den ganzen Einsatz so oft durch, daß am Abend sogar Pete Jaeger die Nase voll hatte. Mir gegenüber benahm er sich wie immer. Wenn unser Verhältnis zueinander jetzt eine Spur förmlicher wirkte, so lag das wohl an der Situation.
Beim Abendessen war Hoffer die Leutseligkeit in Person. Das Beste war für uns gerade gut genug, aber was den Alkohol betraf, so erhob Burke Einspruch. Das Essen war großartig. Überraschenderweise hatte ich sogar Appetit, und neben mir saß Rosa. Sie hatte sich schön gemacht und sah wirklich prächtig aus.
Danach ging Hoffer noch einmal mit uns den Plan in allen Einzelheiten durch und besprach auch den für den Fall des Gelingens vorgesehenen Abmarschweg: Bis zu dem Punkt an der Straße nach Bellona, wo uns Hoffer selbst mit einem Wagen abholen wollte, würden wir schätzungsweise acht bis neun Stunden brauchen.
Als Burke fertig war, drückte uns Hoffer der Reihe nach feierlich die Hand und hielt eine kleine Rede: Er wisse das, was wir für ihn tun wollten, sehr zu schätzen und hoffe, daß er mit Gottes Hilfe seine Stieftochter bald wieder bei sich haben
werde. Mir ging das eine Spur zu weit.
Als ich mich später in meinem Zimmer umzog, erschien Rosa. Sie zog mir den Reißverschluß meines Tarnanzugs hoch und gab mir eine Taschenflasche mit Brandy.
»Von dir oder von Hoffer?« fragte ich.
»Von mir.« Sie streichelte mir flüchtig übers Gesicht. »Komm gesund wieder.«
In der Tür zögerte sie und sah mich mit einem seltsamen Ausdruck an. Es drängte sie, mir etwas zu sagen, und gleich zeitig schien sie furchtbare Angst vor den Folgen zu haben.
Wie eine Welle überfiel mich plötzlich eine Art Zuneigung zu ihr. Ich schüttelte lächelnd den Kopf. »Sag's nicht, Rosa, wenn du wirklich Angst vor ihm hast.«
»Die habe ich«, flüsterte sie. Sie sah jetzt wirklich blaß aus. »Er kann so grausam sein, Stacey, du kannst es dir gar nicht vorstellen.«
»Dann erzähl's mir, wenn ich zurückkomme, wenn es nicht mehr wichtig ist.« Ich öffnete die Tür und küßte sie so, wie man eine Frau küssen soll. »Ich überlebe alles, Rosa Solazzo. Ganz besonders aber alle die Hoffers auf dieser Welt.«
Nachdem sie gegangen war, schnallte ich mir den Gürtel mit meinem Revolver im Federhalfter um und rückte meine Baskenmütze zurecht. Der Mann, der mir aus dem Spiegel entgegenblickte, war ein Fremder – jemand aus der Zeit vor dem Loch. Was hatte er hier zu suchen? Ein überraschender Gedanke, aber die falsche Zeit, solche Fragen zu stellen.
Ich ging hinunter zu den anderen.
Die Cessna 401 hat eine Reisegeschwindigkeit von zweihundertsechzig Meilen in der Stunde. Das bedeutete, daß wir bis zum Ziel etwa zwanzig Minuten brauchen würden. Der Start verzögerte sich um eine Stunde, weil die Nacht für Burkes Geschmack noch zu hell war. Die vom Wetterbericht versprochene Bewölkung blieb aus. Erst um ein Uhr morgens
gab er dann widerstrebend den Befehl zum Abflug.
Verda hatte den Behörden in Punta Raisi einen Flug nach Gela gemeldet für den Fall, daß später irgendwelche Fragen gestellt werden sollten. Die Richtung stimmt so ungefähr. Bis zu dem Punkt, wo er uns absetzen sollte, bedeutete es für ihn nur einen kleinen Umweg, und innerhalb weniger Minuten konnte er wieder auf dem richtigen Kurs sein.
Wenn man die Ausbildung durch Burke im Kongo mitrechnete, war ich bisher insgesamt neunmal abgesprungen. Das war also mein zehnter Absprung – eine hübsche runde Zahl. Besonderen Spaß hatte mir die Sache nie gemacht. Ein Fallschirmspringer ist ein ziemlich schwerfälliges Geschöpf, behindert durch seine Ausrüstung. Der Fallschirm vom Typ X wiegt achtundzwanzig Pfund, der Reserveschirm etwa vierundzwanzig. Das allein ist schon ein ziemliches Gewicht. Wenn man noch die übrige Ausrüstung mit etwa hundert Pfund hinzurechnet, so ist es gar nicht überraschend, daß es damit nur abwärts gehen kann.
Obgleich wir die Passagiersitze herausmontiert hatten, konnten wir uns im Innern der Maschine mit all dem Gerät kaum bewegen. Burke hatte eine selbsterfundene Fangleine eingebaut und zusammen mit Verda das Tor entfernt. Das war eine feine Sache, solange niemand
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