Nacht ueber den Highlands
Mal gewesen, dass Kit je Besuch bekommen hatte.
»Aye. Das hat sie getan, so oft sie es wagen konnte. Tragischerweise war es ausgerechnet so ein Besuch bei meinem Vater, der sie am Ende das Leben kostete. Stryders Vater war frühzeitig von einer Reise zurückgekehrt, nur um festzustellen, dass Gattin und Sohn weg waren. Eine Bedienstete war es, die sie nach ihrer Rückkehr an den Lord verriet.«
Rowena empfand tiefes Mitgefühl mit ihrem Freund. »Ach, Kit, das tut mir so Leid.«
Er schluckte, auf dem Gesicht einen tieftraurigen Ausdruck. »Ich bin nicht derjenige, der dir Leid tun sollte, Rowena. Ich betrauere sie nur, weil sie meine Mutter war, ich kannte sie ja kaum. Stryder war derjenige, der vollkommen vernichtet war. Er hat sie vergöttert.«
Rowena kamen fast die Tränen, wenn sie daran dachte, was er durchgemacht hatte; wie sehr er wahrscheinlich auch jetzt noch darunter litt.
»Mein Bruder hatte eine äußerst harte, grausame Kindheit und Jugend und ist dennoch ein ehrenhafter
Mann geworden. Ich kenne niemanden, der das überlebt hat, was er durchmachen musste, und dennoch so nobel blieb.«
»Aye. Er hätte sowohl mich als auch Eleanor als Lügner bloßstellen können.«
Er nickte.
»Aber was ist mit Cyril?«, wollte sie wissen. »Glaubst du, Lord Stryder -«
»Nein. Ich weiß es besser. Wenn Stryder seinen Tod gewünscht hätte, dann hätte er ihn in einem ehrlichen Kampf herausgefordert. Meuchelmord liegt nicht in der Natur meines Bruders.«
Sie hatte sich dasselbe auch schon gedacht. »Aber warum sollte Lord Aubrey lügen?«
»Vielleicht lügt er ja gar nicht. Einen Mantel kann sich jeder umhängen. In der Nacht sind alle Katzen grau.«
Rowena biss sich bei diesem Gedanken auf die Lippe. Wenn das stimmte, wer hatte dann ein Interesse daran, Lord Stryder diesen Mord in die Schuhe zu schieben?
Sie entschuldigte sich und machte sich auf den Weg zurück zu dem Zelt des Ermordeten, wo sich immer noch jede Menge Ritter und Volk herumtrieb.
»Ich behaupte immer noch, dass es der Graf gewesen ist«, sagte ein Baron zu einer kleinen Gruppe im Innern des Zeltes.
»Warum sollte er sich an ihn heranschleichen und ihm im Schlaf die Kehle durchschneiden? Ich kenne Stryder schon lange, so etwas hat er in all der Zeit nie getan.«
Ein anderer Baron schnaubte. »Sein Vater ist dem Irrsinn anheim gefallen. Vielleicht hat es ja jetzt auch Lord Stryder erwischt.«
Rowena achtete nicht länger auf die Männer, die sich über die Schuldfrage stritten. Um die Wahrheit zu sagen, empfand sie Mitleid für Cyril - mehr als sie für möglich gehalten hätte. Nicht einmal ein Mensch wie er hatte einen solchen Tod verdient.
Schweren Herzens wollte sie sich schon auf den Rückweg zur Burg machen, als ihr Blick auf ein Stück Pergament fiel, das unter Cyrils Zelt hervorschaute.
Während die Männer eifrig weiterdiskutierten, bückte sich Rowena und hob den Fetzen auf. Ihr blieb fast das Herz stehen, als sie sah, was dort geschrieben stand.
Es war Arabisch.
Es sind nicht alle heimgekehrt.
Es haben nicht alle überlebt.
Tod der Bruderschaft! Mögen ihre Mitglieder im tiefsten Höllenfeuer schmoren!
Darunter ein Stempel, in Blut. Es war dasselbe Symbol, das sie heute Morgen an Stryder gesehen hatte, als er nackt vor ihr stand ...
Stryder war gerade dabei, sich den Schlaf aus dem Gesicht zu waschen, als jemand ohne Anklopfen in sein Zelt platzte.
Er fuhr herum, um sich den Übeltäter vorzuknöpfen, doch dieser duckte sich und wich seinen zupackenden Armen geschwind aus.
»Ich bin es nur«, sagte eine, wie sollte es anders sein, weibliche Stimme.
Stryder knurrte. »Werde ich Euch heute Morgen denn überhaupt nicht mehr los?« Er musterte Rowena finster. Doch um ehrlich zu sein, wuchs sein Respekt vor der Hartnäckigkeit dieser Dame, die ihm obendrein gerade so geschickt entschlüpft war.
Sie richtete sich mit einem hochmütigen Ausdruck auf. Doch anstatt ihn mit ihrer gefürchtet spitzen Zunge zu traktieren, trat sie auf ihn zu und ergriff seine Rechte.
Sie strich über die Tätowierung auf seinem Handrücken, und er konnte nicht verhindern, dass ihn ein köstlicher Schauder überlief. Doch wie immer wallte heiße Wut in ihm auf, wenn er an dieses Schandmal erinnert wurde.
»Woher habt Ihr das?«, erkundigte sie sich naiv.
»Es ist nichts«, wehrte er ab und versuchte seine Hand wegzuziehen.
Doch sie ließ es nicht zu. »Warum macht Euch dieses Zeichen so zornig?«
»Rowena -«
Aber sie beachtete die
Weitere Kostenlose Bücher