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Nacht über der Menschheit

Nacht über der Menschheit

Titel: Nacht über der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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bestimmte er ihren Standort. Sie waren über dreihundert Kilometer zu weit auf der Sonnenseite des Zwielichtgürtels gelandet. Die Instrumente hatten nicht gelogen – aber irgend jemandes Augen. Die Landeposition, die Brainerd errechnet hatte, war fast so tödlich gewesen wie die, die Curtis ausgearbeitet hatte.
    Ross sah nach draußen. Das Fahrzeug war fast da, die Temperatur stand auf einhundertfünfzig. Es war noch viel Zeit – sie würden es rechtzeitig schaffen, dank der Warnung, die sie von dem schmelzenden Radarturm erhalten hatten.
    Aber warum war das geschehen? Darauf gab es keine Antwort.
     
    Der riesenhafte Krinsky brachte Llewellyn und Falbridge an Bord. Man schälte sie aus ihren Raumanzügen; die Männer schwankten und brachen dann zusammen. Sie sahen aus wie ein Paar frischgekochte Hummer.
    »Hitzschlag«, sagte Ross. »Krinsky, bringen Sie sie in die Startbehälter. Dominic, haben Sie Ihren Anzug angelegt?«
    Der Raumfahrer erschien am Eingang der Luftschleuse und nickte.
    »Gut. Klettern Sie hinunter und fahren Sie das Fahrzeug in den Laderaum. Wir können es uns nicht leisten, es hierzulassen. Aber schnell, bitte – dann starten wir. Brainerd – ist die neue Umlaufbahn fertig?«
    »Ja, Sir.«
    Das Thermometer erreichte die Einhundertneunzig-Grad-Marke. Das Kühlsystem hatte die ersten Schwierigkeiten mit der Hitze – aber seine Leiden waren nicht von langer Dauer. Innerhalb von Minuten hatte die Leverrier von der Merkuroberfläche abgehoben – Minuten vor dem unbarmherzigen Sonnenaufgang – und sich in eine Umlaufbahn um den Planeten emporgeschwungen.
    Während sie den Planeten umkreisten, tauchte immer wieder eine Frage in Ross' Gehirn auf: Warum? Warum hatte Brainerds Bahn sie in eine Gefahrenzone hinuntergebracht? Warum waren sie beide, Brainerd und Ross, unfähig gewesen, einen einfachen Start zu berechnen – das war die simpelste astrogatorische Aufgabe. Und warum hatte Spanglers Verstand ihn gerade solange verlassen, daß der unglückliche Curtis sich umbringen konnte?
    Ross sah, daß alle anderen auch nur eine Frage beschäftigte: Warum?
    Plötzlich hatte Ross ein eisiges Stechen weit hinten in seinem Kopf, und plötzlich drängte sich statt einer Antwort ein Bild vor sein geistiges Auge.
    Er sah einen großen See geschmolzenen Zinks, der schimmernd irgendwo zwischen zwei Bergketten lag. Er war dort seit Tausenden von Jahren – er würde dort noch Tausende von Jahren sein, vielleicht sogar viele Millionen Jahre.
    Seine Oberfläche zitterte. Das grelle Sonnenlicht war selbst für ein rein geistiges Bild unerträglich.
    Strahlung prasselte auf den Zinksee herab – die Strahlung der Sonne, hart und nie aufhörend, und dann eine neue Strahlung, eine elektromagnetische Ausstrahlung mit einer verständlichen Nachricht:
    Ich möchte sterben.
    Der See aus Zink erzitterte plötzlich in einem Impuls großer Hilfsbereitschaft.
    Die Vision verschwand so schnell wie sie gekommen war. Benommen sah Ross auf. Die Gesichter um ihn herum verrieten ihm, was er wissen wollte.
    »Sie haben es auch verspürt«, sagte er.
    Spangler nickte, dann Krinsky, die anderen fielen ein.
    »Was, zum Teufel, war das?« fragte Krinsky.
    Brainerd wandte sich an Spangler. »Sind wir alle verrückt, Doc?«
    Der Psych-Offizier zuckte die Achseln. »Massenhalluzination ... kollektive Hypnose ...«
    »Nein, Doc.« Ross lehnte sich vor. »Das wissen Sie genauso gut wie ich. Das Ding war real, es befindet sich da unten auf der Sonnenseite.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich meine, daß das keine Halluzination war, was wir sahen. Das war Leben .« Ross' Hände zitterten – er zwang sie zur Ruhe. »Wir sind auf etwas sehr Großes gestoßen.«
    Spangler rührte sich. »Harry ...«
    »Nein, ich habe nicht den Verstand verloren. Verstehen Sie denn nicht, daß das Ding da unten, was immer es sein mag, unsere Gedanken auffängt. Es hat Curtis' verdammtes Gejammer aufgefangen wie ein Radargerät elektromagnetische Wellen. Seine Gedanken waren die stärksten, die durchkamen – also verstärkte es sie und tat sein Bestes, um Curtis' Wunsch wahr werden zu lassen.«
    »Sie meinen, indem unsere Hirne benebelt wurden und uns vorgaukelten, daß wir in sicherem Gelände gelandet wären, obwohl wir uns nahe der Sonnenseite befanden?«
    »Aber wozu so umständlich?« widersprach Krinsky. »Wenn es dem armen Curtis helfen wollte, sich umzubringen, warum hat es nicht dafür gesorgt, daß wir direkt auf der Sonnenseite niedergingen? Wir wären

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