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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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geheime Absiche- rung für die Zukunft.
Schweiger berichtete, daß die Kiste oben bei dem Alten in Duretile war. Es hatte keine Mög- lichkeit gegeben, sie herauszuschaffen. Einauge brach zusammen und weinte. Die Kiste bedeutete ihm mehr als alle vergangenen, gegenwärtigen oder verheißenen Wechselfälle des Lebens. Goblin fiel über ihn her. Funken sprühten. Der Leutnant wollte schon dazwischengehen, als jemand den Kopf durch die Tür steckte. »Kommt lieber nach oben und seht euch das mal an.« Weg war er, bevor wir fragen konnten, was er meinte. Wir eilten zum Hauptdeck hinauf.
Das Schiff war schon gute zwei Meilen mit der Strömung und der auslaufenden Flut den Port hinabgefahren. Aber die Glut der Schwarzen Burg beleuchtete uns und Juniper so hell wie das Licht eines wolkenverhangenen Tages. Die Burg bildete die Basis eines Feuerstrahls, der Meilen hoch in den Himmel schoß. In den Flammen wand sich eine riesige Gestalt. Ihre Lippen bewegten sich. Langgezogene langsame Worte hallten über den Port. »Ardath, du Schlampe.« Ich hatte mich doch nicht geirrt.
Langsam, träge hob sich die Hand der Gestalt, bis sie auf Duretile deutete. »Sie haben genug Leichen«, quiekte Goblin. »Der alte Schweinehund kommt durch.« Die Männer sahen wie gebannt zu. Ich auch, wobei ich nur denken konnte, daß wir Glück gehabt hatten, rechtzeitig zu entkommen. Und in diesem Augenblick empfand ich nichts für die Männer, die wir zurückgelassen hatten. Ich konnte nur an mich selbst denken. »Dort«, sagte jemand leise. »Oh, seht doch.« Auf Duretiles Mauerwall bildete sich eine Kugel aus Licht. Sie schwoll unter einem Schwall
    von Farben rasch an. Schön war sie, wie ein riesiger Mond aus Buntglas, der sich langsam
drehte. Als sie von Duretile abhob und zur Schwarzen Burg schwebte, maß sie mindestens zweihundert Fuß im Durchmesser. Die Gestalt in den Flammen griff nach der Kugel und konnte ihr nichts anhaben.
Ich kicherte.
»Was ist denn so verdammt komisch?« wollte der Leutnant wissen. »Ich hab nur gerade daran gedacht, wie sich die Menschen von Juniper bei diesem Anblick fühlen müssen. Sie haben noch nie zuvor Zauberei gesehen.« Die Buntglaskugel drehte sich wieder und wieder. Einen Augenblick lang wandte sie uns ei- ne Seite zu, die wir noch nicht gesehen hatten. Die großen glasigen Augen starrten mich mit einem verletzten Ausdruck an. Ohne nachzudenken sagte ich: »Ich habe dich nicht verraten. Du hast mich verraten.«
Ich schwöre bei den Göttern, daß es eine Art Verständigung gab. Etwas in dem Blick sagte mir, daß sie es gehört hatte und daß die Anklage ihr weh tat. Dann rollte das Gesicht herum, ich sah es nicht wieder.
Die Kugel schwebte in die Feuersäule. Dort verschwand sie. Ich dachte, daß ich die langsa- me Stimme sagen hörte:
»Jetzt habe ich dich, Ardath.«
»Dort. Seht nur«, sagte derselbe Mann, und wir drehten uns nach Duretile. Und auf der Mauer, von der aus die Lady auf ihren Gatten zugeschwebt war, war noch ein Licht zu sehen. Zuerst konnte ich nicht erkennen, was dort geschah. Es bewegte sich schwankend, aufstei- gend, dann wieder fallend in unsere Richtung. »Das ist der Teppich der Lady«, signalisierte Schweiger. »Ich habe ihn schon mal gesehen.« »Aber wer…?« Es gab niemanden mehr, der einen Teppich fliegen konnte. Die Unterworfe- nen waren alle bei der Schwarzen Burg.
Das Ding wurde schneller, die wackeligen Auf-und-Ab-Bewegungen wurden durch die wachsende Geschwindigkeit ausgeglichen. Es kam in unsere Richtung, wurde schneller und schneller, senkte sich tiefer und tiefer. »Jemand, der nicht weiß, was er da tut«, meinte Einauge. »Jemand, der dabei draufgehen wird, wenn…«
Jetzt kam er direkt auf uns zu, nicht höher als fünfzig Fuß über dem Wasser. Das Schiff hat- te bereits eine lange Wende eingeschlagen, die es an der letzten Landzunge vorbei auf die offene See bringen würde. Ich sagte: »Vielleicht wurde er ausgesandt, um uns zu versenken. Eine Art Geschoß. Damit wir nicht fliehen können.« »Nein«, sagte Einauge. »Teppiche sind wertvoll. Zu schwer herzustellen und zu erhalten. Und der von der Lady ist der letzte, der noch übrig ist. Wenn er zerstört wird, dann muß sogar sie nach Hause laufen.«
Der Teppich war jetzt auf dreißig Fuß herunter, wurde rasch größer, und ein hörbares Brum-
    men lief ihm voraus. Er muß etwa einhundertfünfzig Stundenmeilen draufgehabt haben.
Dann war er über uns, fetzte durch die Takelage, streifte einen Mast, wirbelte weiter

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