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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Wurzeln und abgebrochene Äste, aber keine Steine.
    Schade, dass ich den Stein aus dem Bach nicht mitgenommen hatte.
    Draußen auf der Lichtung lagen drei oder vier Felsbrocken auf denen man sitzen konnte und die für mein Vorhaben viel zu schwer waren, aber die Feuerstelle war mit einem Kranz kleinerer Steine eingefasst, die in etwa die richtige Größe hatten.
    Vermutlich waren die meisten davon so heiß, dass ich mir an ihnen die Finger verbrannt hätte, aber bestimmt gab es auch welche, die weiter am Rand lagen und keinen direkten Kontakt mit den Flammen gehabt hatten.
    Um einen dieser Steine zu holen, musste ich allerdings aus der Dunkelheit hervortreten und die halbe Lichtung überqueren. Und dabei musste ich an Judy vorbei und direkt vor ihren Augen einen Stein suchen, um ihr damit den Schädel einzuschlagen. Und auch den Eingang des Zeltes musste ich passieren.
    Na und?
    Das Zelt war geschlossen, und Judy hielt noch immer den Kopf gesenkt.
    Und wenn sie mich sah, war es auch egal. Schließlich hatte sie ja einen Knebel im Mund.
    Außerdem hatte ich noch die Pistole. Wenn etwas schiefgehen sollte, konnte ich mir damit immer noch den Weg freischießen.
    Als ich überprüfte, ob sie entsichert war, zitterte die Waffe in meiner Hand wie wild. Ich hatte große Angst, aber nicht die Art von Angst, die einem eine eiskalte Gänsehaut über den ganzen Körper jagt, sondern schiere Panik, die das Herz wie wild schlagen lässt, den Schweiß aus allen Poren treibt und die Knie so weich werden lässt, dass einem die Beine nicht mehr gehorchen wollen.
    Ich zwang meine Beine dazu, mir zu gehorchen.
    So bin ich. Vielleicht ist Ihnen das ja schon aufgefallen. Ich bin eine, die ihre Geschichten bis zum bitteren Ende durchzieht, ganz gleich, wie gefährlich, schmutzig oder abscheulich sie auch sein mögen. Wenn ich der Meinung bin, dass etwas erledigt werden muss, erledige ich es auch.
    Ich brauchte einen Stein, also zwang ich mich dazu, einen zu holen.
    Langsam ging ich in einer Entfernung von etwa eineinhalb Metern an Judy vorbei, die immer noch den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen hatte. Sie atmete. Sonst tat sie nichts.
    Als ich direkt vor ihr stand, schaute ich sie mir genauer an, aber weil von dem Feuer jetzt nur noch etwas tiefrote Glut übrig geblieben war, konnte ich nicht viel erkennen.
    Zumindest bewegte sie sich nicht.
    Ich ging weiter und blickte zum Zelt, dann hinaus auf die Lichtung und schließlich wieder zurück zu Judy.
    Die Dunkelheit war gut, um unbemerkt durch die Gegend zu schleichen, aber jetzt brauchte ich etwas Licht. Ich wollte Judy sehen, und ich wollte sehen, was ich tat. Und so legte ich, als ich die Feuerstelle erreicht hatte, so leise wie möglich ein paar dünne Zweige auf die Glut.

    Eine tolle Frau
    Bald flammte das Feuer wieder auf, und ich legte rasch ein paar größere Äste nach, bis die Flammen wieder einen schwachen, gelblichen Lichtschein verbreiteten, der bis hinüber zum Zelt reichte.
    Der Eingang blieb geschlossen, und aus dem Inneren des Zelts drangen weder Licht noch Geräusche.
    Ich legte immer weiter Äste auf die Flammen, bis das Feuer lichterloh brannte.
    Das kam mir selbst ziemlich verrückt vor. Hatte ich denn komplett den Verstand verloren? Wollte ich mit Gewalt erwischt werden?
    Wer weiß?
    Ich sagte mir die ganze Zeit über, dass niemand aufwacht, nur weil das Feuer vor dem Zelt wieder heller wird.
    Aber es wurde auch lauter. Die nicht ganz trockenen Äste knisterten und knackten, und hin und wieder gab einer von ihnen sogar einen lauten Knall von sich.
    Jetzt war das Feuer hell genug, um Judy zu beleuchten.
    Ihre Haut glänzte wie geschmolzenes Gold, und ich stand auf und ging um das Feuer herum hinüber zu ihr. Erst als ich vor ihr stand, fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, einen Stein von der Feuerstelle mitzunehmen.
    Also ging ich wieder zurück und prüfte ein paar der Steine mit den Fingerspitzen. Sie alle waren heiß genug, um sich an ihnen die Finger zu verbrennen.
    Toll gemacht, echt.
    Ich hätte mir einen der Steine nehmen sollen, bevor ich das Feuer neu entfacht hatte.
    Zu spät.
    Auf der anderen Seite des Feuers waren die Flammen nicht so nahe an den Steinen. Ich ging hinüber und stellte fest, dass einige von ihnen höchstens lauwarm waren. Die Pistole nahm ich in die linke Hand und suchte mir mit der rechten einen passenden Stein.
    Er war geformt wie ein an der Spitze abgerundetes Tortenstück und wohl so an die drei, vier Pfund schwer. Perfekt.
    Auf

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