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Nachtauge

Nachtauge

Titel: Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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sagen.«
    »Sie lügt«, zischte der junge Kerl.
    »Sie ist nur nervös.« Er sah sie freundlich an. »Hattest du schon mal mit der Polizei zu tun, vielleicht in der Heimat?«
    »Nein, noch nie.«
    »So etwas kann einen schon einschüchtern. Das können wir gut verstehen. Aber wir brauchen deine Mithilfe. Hat sich eine von den Frauen über die harte Arbeit hier in der Fabrik beschwert? Hat jemand schlecht über die Deutschen geredet?«
    Sie musste diese Männer loswerden, irgendwie. So freundlich der Gestapooffizier auch schaute, sein Blick hatte etwas Lauerndes an sich, es fühlte sich an, als würde er ihre Seele abtasten, während er mit ihr sprach. Wie konnte sie von sich ablenken?
    »Ich lasse mir die Löffel zeigen«, schlug der vor, der Hans hieß. »Wenn wir ihren Ursprung herausfinden …«
    »Ja, geh und untersuch die Löffel«, sagte der Ältere. Als Hans fort war, nahm er Nadjeschkas Kinn und sah ihr fest in die Augen. »Du willst deine Kameradinnen schützen. Das ist ehrenhaft von dir. Nur: Entweder wir finden die Schuldige, oder wir lassen euch alle leiden, weißt du. Du schützt euch also am besten, indem du mit uns kooperierst. Das verstehst du doch?«
    »Ja, ich verstehe.«
    Georg warf das Fahrrad gegen die Mauer und rannte zum Eingang der Fabrikhalle. Der schwarze Mercedes der Gestapo parkte bereits davor. Er konnte nur hoffen, dass sie seinen Schwager geschickt hatten.
    Als er die Halle betrat, zuckte er zusammen. Sämtliche Bänder standen still. Im Mittelgang waren die Frauen der Baracke Trögelkind aufgereiht. Axel und ein zweiter Gestapomann, beide in schwarzen Ledermänteln, schritten vor ihnen auf und ab.
    »Ich sage es ein letztes Mal«, bellte Axel. »Die Schuldige soll vortreten!«
    Niemand rührte sich.
    »Glaubt ihr im Ernst, ihr könnt mit uns Verstecken spielen? Das sind Löffel aus eurem Lager!«
    Die Frauen sahen geradeaus, starr vor Angst.
    »Ihr seid nichts als dreckige, verfressene Schaben! Wir werden euch zertreten, wir zeigen euch, was mit Kroppzeug geschieht, das es wagt, sich aufzulehnen.« Er winkte Plöger heran. »Wer von denen stand an der Maschine?«
    Plöger zeigte auf Katja. Georg schluckte. Ausgerechnet eine seiner zuverlässigsten Frauen.
    »Vortreten!«, befahl Axel.
    Zitternd gehorchte sie.
    »Und wer hat an den benachbarten Maschinen gearbeitet?«
    Plöger wies auf drei weitere Frauen, unter ihnen Nadjeschka. Sie mussten ebenfalls vortreten.
    »Raus mit denen.« Axel spie die Worte aus, als befehle er das Wegschütten von Müll.
    Georg wusste: Wenn er jetzt dazwischenfunkte, würde ihn der Schwager aufs Härteste zurückweisen. Er musste ihn die Schau beenden lassen, Axel war als Inspektor der Gestapo hier. Das Gebrüll war Teil der Einschüchterungsmethoden, die seine Ostarbeiterinnen zum Gehorsam erziehen sollten.
    Er durchquerte die Halle und folgte den Frauen und den Gestapomännern durch den Seitenausgang nach draußen. Erst als sie im Freien waren, holte er Axel ein und sagte: »Grüß dich, Schwager.«
    »Das sind schon wieder welche von deinen. Wieso kriegst du das nicht in den Griff? Was machst du mit denen im Lager, dass sie so aufmüpfig werden?«
    »Hör zu, diese Frauen werden dringend benötigt. Kannst du nicht eine Ausnahme machen und lässt sie gehen, dieses eine Mal?«
    »Die haben zwei Maschinen lahmgelegt. Da muss ich hart durchgreifen, Georg, tut mir leid. Das darf nicht Schule machen. Bei Sabotage gibt es kein Pardon.« Er kramte ein Taschentuch heraus und schnäuzte sich. »Heuschnupfen«, sagte er. »Willst du nicht mal wieder zu uns zum Essen kommen? Anneliese hat erzählt, mit Eva ist es aus. Da sitzt du viel zu Hause rum, oder? Die Kinder würden sich freuen und Anneliese auch. Wie wär’s mit kommendem Sonntag?«
    »Ich kann diese Frauen nicht ersetzen. Bitte, lass es heute bei einigen Schlägen bewenden.«
    »Ach was, die paar Untermenschen, die sind rasch ausgetauscht. Sicher kommt bald wieder eine Lieferung aus dem Osten.«
    »Das ist kein Vieh, Axel. Sabotage kommt nicht wieder vor, versprochen, ich halte denen eine Moralpredigt, die sie nicht vergessen! Diese Frauen sind womöglich unschuldig!«
    »Die Maschinen stehen still. Weißt du, was das bedeutet? Dass unsere Jungs an der Front keine Munition haben, dass die Russen sie überrennen und abknallen. Der Krieg wird auch in der Heimat geführt. Jede produzierte Patrone zählt.«
    »Dann nimm eine Frau mit, aber nicht vier! Versuch wenigstens noch einmal, die Schuldige zu finden.

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